Ein erhöhter Blutdruck (RR) in der Schwangerschaft
(> 140/90 mm Hg) wird bezeichnet als
- Präexistierende Hypertonie, wenn der RR schon vor der Schwangerschaft (SS)
erhöht war, als
-
Schwangerschafts-Hypertonie, wenn erhöhte Werte erst nach der 20. SS-Woche (SSW)
gemessen werden und als
-
Präeklampsie, wenn die nach der 20. SSW auftretende Hypertonie
mit einer klinisch relevanten Proteinurie (z.B. > 30 mg Protein/mmol
Kreatinin im Urin) verläuft (1). Eine Präeklampsie kann auch eine schon vor der
SS bestehende Hypertonie überlagern.
Die wichtigsten Risiken für die Mutter bei
schwerer Hypertonie und Präeklampsie sind zerebrale Insulte und der Übergang in
eine manifeste Eklampsie mit zerebralen Krämpfen, Thrombozytopenie, evtl.
Hirnblutungen, Lungenödem, Blutungen in die Leber und Nierenversagen. Die wichtigsten
Risiken für den Fetus sind Entwicklungsverzögerung, Abruptio placentae,
intrauteriner oder perinataler Tod. Bei Präeklampsie ist die Durchblutung der Plazenta
vermindert, und durch noch unzureichend geklärte Mechanismen führt eine
endotheliale Dysfunktion bei der Mutter zur Hypertonie mit vermindertem
Plasmavolumen.
Eine antihypertensive Behandlung in der SS sollte - anders
als bei der Behandlung einer chronischen Hypertonie außerhalb der SS - erst ab
Blutdruckwerten > 150-155 mm Hg systolisch und > 100 mm Hg
diastolisch (mittelschwere Hypertonie) begonnen werden (1, 2). Begründung:
Das Risiko für die Mutter ist bei milder Hypertonie gering, während eine
deutliche Blutdrucksenkung die Plazentadurchblutung erheblich vermindern und
das Risiko für das Kind erhöhen kann. Durch die Senkung des RR bei
mittelschwerer Hypertonie wird bei der Mutter die Häufigkeit des Übergangs in
eine schwere Hypertonie (RR > 160/110 mm Hg) um zwei
Drittel vermindert, während das Risiko für das Kind nicht negativ beeinflusst
wird (3).
Die Wahl der oralen Antihypertensiva ist mit Hinblick
auf Risiken für den Fetus, nicht für die Mutter, von großer Bedeutung. Absolut
kontraindiziert sind ACE-Hemmer und Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker
und sicher auch der erst kürzlich eingeführte direkte Renininhibitor Aliskiren (Rasilez®; 5), da sie das
Risiko für fetale Fehlbildungen erhöhen. Eine hypertensive Frau, die schwanger
werden will, sollte schon vor der SS mit anderen als den genannten
Antihypertensiva behandelt werden (1, 4).
Aus verständlichen Gründen gibt es keine
umfangreichen plazebokontrollierten oder vergleichenden Studien zu den Risken für
das Kind bei Behandlung mit Antihypertensiva. Aus kleineren systematischen und
aus Beobachtungsstudien ergeben sich jedoch folgende Empfehlungen:
Die NICE-guidance (1) setzt an die erste Stelle Labetalol,
einen in einem Molekül vereinigten adrenergen Alpha- und Beta-Blocker, der fast
nur extrarenal metabolisiert und eliminiert wird. Labetalol wird in der Roten
Liste nicht mehr geführt, dürfte sich aber aus dem europäischen Ausland
beschaffen lassen. Die Deutsche Liga zur Bekämpfung des hohen Blutdrucks
empfiehlt Methyldopa (Dopegyt®, Presinol®,
Generika), unter den Betablockern präferenziell Metoprolol (Beloc-Zok®,
Generika) sowie Kalziumantagonisten, besonders retardiertes Nifedipin
(Adalat retard®, Generika), die aufgrund publizierter Ergebnisse als
„sicher” gelten (4, 6). Dennoch ist auf UAW besonders zu achten. Atenolol
sollte wegen des Verdachts, eine intrauterine Wachstumsverzögrung zu
begünstigen, vermieden werden. Auch die Pharmakovigilanz-Datenbank Embryotox (10)
empfiehlt, bei Schwangeren das besser untersuchte Metoprolol einzusetzen (Thiaziddiuretika
sollten bei Präeklampsie wegen des ohnehin schon reduzierten Plasmavolumens
möglichst vermieden werden. Die früher generell geäußerte Warnung vor der
Anwendung von Thiaziden zur Behandlung der Schwangerschaftshypertonie scheint
nicht gerechtfertigt zu sein, wenn Thiazide im Rahmen einer
Kombinationstherapie in niedriger Dosis gegeben werden und eine Hypovolämie
vermieden wird (7, 8).
Generell gilt, dass der Blutdruck nicht unter 140-150 mm Hg
systolisch und 80-100 mm Hg diastolisch gesenkt werden soll. Bei bedrohlich
hohen Blutdruckwerten, die eine schnelle Senkung in den oberen Normbereich erforderlich
machen, wird nicht-retardiertes Nifedipin oral empfohlen. Falls eine i.v.
Therapie erforderlich wird, kann vorsichtig Urapidil (Ebrantil®, Generika)
appliziert werden. Hydralazin i.v. wird hingegen nicht mehr empfohlen. Ein starker
RR-Abfall nach i.v.-Medikation kann zum intrauterinen Fruchttod führen (4). Natriumnitroprussid-Infusionen
kommen nur infrage, wenn das Leben der Mutter gefährdet ist. Eine Besprechung
der Therapie bei Schwangeren mit schwerster Hypertonie und hypertensiver
Enzephalopathie oder manifester Eklampsie ist in diesem Rahmen nicht möglich.
Für Frauen mit Hypertonie in der Stillperiode
stellt die NICE-guidance fest, dass Labetalol, Nifedipin, Enalapril, Captopril,
Atenolol und Metoprolol nicht schädlich für den Säugling sind, während über die
Sicherheit für das Kind bei Einnahme von anderen ACE-Hemmern, von
Angiotensin-II-Rezeptor-Blockern und Amlodipin keine Aussagen gemacht werden
können (1).
In diesem Zusammenhang ist ein kürzlich erschienener
Cochrane-Review, basierend auf 13 Studien mit insgesamt 15.730 Frauen von
großem Interesse, der zu belegen scheint, dass eine Kalzium-Supplementation mit
mindestens 1 g/d während der SS die Inzidenz einer Hypertonie um 35% und
die einer Präeklampsie um 55% im Vergleich mit Plazebo senkte (9).
Fazit:
Eine leichte Hypertonie (RR < 150/< 90-95 mm Hg)
soll bei Schwangeren in der Regel noch nicht behandelt werden, denn eine
deutliche RR-Senkung erhöht das Risiko für den Feten. Hinsichtlich der
Sicherheit für den Feten bei Anwendung oraler Antihypertensiva gibt es nur
wenige belastbare Studien. Bei mittelschwerer und schwerer Hypertonie (mit oder
ohne Proteinurie) sind Labetalol, Alpha-Methyldopa, Metoprolol, und
retardiertes Nifedipin die Mittel der Wahl. Bei Kombinationstherapie können,
außer bei Präeklampsie, auch niedrig dosiert Thiaziddiuretika eingesetzt
werden.
Literatur
- Visintin, C., et al.: BMJ2010, 341, c2207.

- Martin, J.N. Jr., et al.:Obstet. Gynecol. 2005, 105, 246.

- Abalos, E., et al.:Cochrane Database Syst. Rev.:2007 CD002252.

- Deutsche Hochdruckliga e.V.:Leitlinien zur Behandlung der arteriellen Hypertonie. Nieren-undHochdruckkrankheiten 2009, 38, 137.
- AMB 2007, 41, 84b
und AMB 2009, 43, 01. 
- Cockburn, J., etal.: Lancet 1982, 1, 647.

- Collins, R., et al.: BMJ1985, 290, 17.

- Al-Balas, M., et al.: Can. Fam. Physician 2009, 55, 44.

- Hofmeyr, G.J., etal.: Cochrane Database Syst. Rev. 2010 CD001059.

- http://www.embryotox.de

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