Der weltweite hochkriminelle Betrug der französischen
Firma PIP (Poly Implants Prothèse) mit hunderttausenden undichter Brustimplantate
aus minderwertigem Industriesilikon ging und geht weiter durch die Tagespresse,
die Magazine und durchs Internet (1-3). Zigtausende Frauen werden sich erneut
operieren lassen müssen, um die Implantate, die die Gesundheit der Trägerinnen
gefährden, zu entfernen bzw. auszuwechseln. Dies hat Risiken, aber Abwarten
scheint noch gefährlicher zu sein. Ein beträchtlicher Teil der Frauen leidet bereits
an lokalen und systemischen Entzündungsreaktionen und muss mit der Ungewissheit
weiterer Schäden durch das ausgetretene Silikon leben – darunter möglicherweise
auch Krebserkrankungen. Wie groß das Problem in Deutschland ist und wer die
Kosten und Folgekosten einschließlich Schmerzensgeld tragen wird oder kann, ist
nicht klar. PIP ist bankrott und die Anwälte der Geschädigten suchen nach
potenziellen Kostenträgern. Die Implantate wurden vom TÜV Rheinland in einem „Konformitätsbewertungsverfahren
nach der europäischen Richtlinie für Medizinprodukte zur CE-Kennzeichnung” geprüft,
d.h. nur formal die Produktunterlagen, nicht aber die Qualität der Implantate
oder des Silikons selbst (4). Auch der TÜV Rheinland wurde offenbar von PIP
getäuscht; er hat ebenfalls Klage eingereicht.
Dieser „Fall” zeigt beispielhaft, dass die Prüfung
von Medizinprodukten, speziell von Implantaten, in vieler Hinsicht derzeit
unzureichend ist und dass die „Verbraucher” nicht ausreichend geschützt werden.
Dies gilt nicht nur für Brust-, sondern auch z.B. für kardiovaskuläre und
ossäre Implantate. Wir haben dieses vielschichtige Problem in einem
Hauptartikel an Hand kardiovaskulärer Implantate thematisiert, die
Schwierigkeiten aufgezeigt und Verbesserungen vorgeschlagen (5). Dabei geht es
nicht nur um die Kontrollen der technischen Qualität der Produkte, sondern auch
um Indikation, Implantationstechnik, bessere Nachsorge, Dokumentation und
Registrierung. Eine vergleichende Evaluierung der Langzeitfunktion und
Verträglichkeit von Implantaten ist schwierig, weil die Hersteller in immer
kürzeren Zeitabständen neue Produkte auf den Markt bringen und damit
Vorgängermodelle nicht mehr angeboten werden.
Ähnlich wie bei Arzneimitteln brauchen wir bei
Medizinprodukten eine „Medizinprodukte-Vigilanz”! Welche Besonderheiten dabei
zu beachten sind und was im Vergleich zu Arzneimittel-Studien in den Studien zu
Medizinprodukten anders bzw. nicht möglich ist, haben wir vor zwei Jahren geschrieben
(5). Hinter den politischen Argumenten, es müsse ja EU-weit eine einheitliche
Lösung geben oder die Bürokratie sei zu aufwändig, verstecken sich politische
und wirtschaftliche Interessen, die auf Verzögerung setzen. Dabei haben wir
doch bereits eine Behörde, die weitergehende Vigilanzfunktionen übernehmen
könnte, das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte.
Verbraucherschutz tut Not angesichts oft lebenslang implantierter
Medizinprodukte.
Literatur
- http://www.sueddeutsche.de/gesundheit/...
(vom 9.1.2012. Zuletzt aufgerufen 28.1.2012).
- Schund mit Siegel. Der Spiegel2012, Nr. 3, S. 40.
- http://de.wikipedia.org/wiki/Poly_Implant_Proth...

- http://www.tuv.com/de/deutschland...

- AMB 2010, 44,09.

|