Die antiretrovirale Therapie hat Morbidität und
Letalität bei HIV-Infektion dramatisch verringert (1, 2). In den letzten
Jahren wurde auch die „Tablettenlast” geringer (3) und die Therapie insgesamt verträglicher.
Die internationalen Leitlinien zur Therapie der unbehandelten HIV-Infektion
empfehlen die Kombination aus Nukleotid- bzw. nukleosidalen
Reverse-Transkriptase-Inhibitoren (NtRTI bzw. NRTI) mit einem Proteaseinhibitor
(PI) oder einem nicht-nukleosidalen Reverse-Transkriptase-Inhibitor (NNRTI). Im
Rahmen dieser Vorgaben gibt es zurzeit nur eine Wirkstoff-Kombination, die in
einer täglich einzunehmenden Tablette zusammengefasst ist: Atripla®,
bestehend aus Efavirenz (NNRTI) + Tenofovir (NtRTI) + Emtricitabin (NRTI). Es
ist einleuchtend und für einige Wirkstoffe belegt, dass einfachere Therapien
besser umgesetzt werden (bessere Adhärenz) und sich dadurch bei antiinfektiven
Therapien auch weniger Resistenzen entwickeln. Nun wurden im Lancet zwei
Studien mit einer neuen antiretroviralen Wirkstoff-Kombination in einer täglich
nur einmal einzunehmenden Tablette vorgestellt und gegen herkömmliche Therapieregime
auf Nicht-Unterlegenheit geprüft (4, 5). Diese neue Kombination enthält auch
einen Integraseinhibitor. Dies sind Substanzen, die die Integration des
retroviralen Provirus in das Genom der Wirtszelle über das retrovirale Enzym
Integrase blockieren (6). Bisher wurden sie für unbehandelte HIV-Patienten nicht
generell empfohlen. Die noch nicht zugelassene Tablette enthält vier Wirkstoffe:
Elvitegravir (Integraseinhibitor) + Cobicistat (CYP3A-Inhibitor; hat keine
anti-HIV-Wirkung, verstärkt aber die Wirkung der anderen Wirkstoffe) +
Tenofovir + Emtricitabin. Diese Kombination wurde in zwei randomisierten
doppeltblinden Phase-III-Studien (Sponsor Gilead Sciences) geprüft, einmal
gegen ein Regime mit Efavirenz (+ Emtricitabin + Tenofovir + Plazebo; 4) und
einmal gegen ein Regime mit dem PI Atazanavir (5).
In der ersten Studie (4) wurden 700 Patienten mit
unbehandelter HIV-Infektion (> 5000 HIV-RNS-Kopien/ml), die keine
Resistenz gegen Efavirenz, Emtricitabin und Tenofovir hatten, 1:1 in die Gruppe
mit der neuen Kombination (n = 348) bzw. in die Vergleichsgruppe
randomisiert (n = 352).
Beide Regime waren gleichwertig im Erreichen einer
HIV-RNA im Blut < 50 Kopien/ml nach 48 Wochen (296 von 352 = 84,1%
vs. 305 von 348 = 87,6%). Auch der Anteil der Patienten, die die
Therapie wegen UAW abbrechen mussten, war in beiden Gruppen nicht unterschiedlich
(18 von 352 vs. 13 von 348). Übelkeit und vorübergehender Anstieg des Serumkreatinins
traten unter der neuen Kombinationstherapie häufiger auf. Abnorme Träume und
Schlaflosigkeit waren in der Vergleichsgruppe etwas häufiger.
In der zweiten Studie (5) wurde die neue Kombination
gegen eine Vergleichstherapie getestet, die aus Ritonavir + Atazanavir +
Emtricitabin + Tenofovir + Plazebo (= PI-Gruppe) bestand. Der PI Ritonavir
wurde hier in niedriger Dosierung als „Booster” für den PI Atazanavir eingesetzt
(vgl. 3). Dazu wurden 708 unbehandelte HIV-Patienten 1:1 randomisiert. Auch in
dieser Studie war das Erreichen von < 50 HIV-RNS-Kopien/ml nach 48
Wochen der primäre Endpunkt. In der Wirksamkeit war die neue Kombination
ebenfalls nicht unterlegen (308 von 355 = 86,8% vs. 316 von
353 = 89,5%). Beide Regime wurden gut vertragen, 18 vs. 13 Patienten
brachen die Therapie ab. Auch in dieser Studie traten unter der neuen
Kombination die schon beschriebenen UAW auf. In der PI-Gruppe fanden sich
häufiger Anstiege der Leberwerte und der Triglyzeride.
Fazit:
Eine neue Kombination antiretroviraler Wirkstoffe in einer Tablette, die nur
einmal täglich eingenommen werden muss, scheint eine weitere Alternative in der
HIV-Therapie zu sein. Der Einsatz in der täglichen Praxis muss zeigen, ob mit
schwerwiegenden UAW gerechnet werden muss.
Literatur
- Palella, F.J., et al.(HOPS = HIV OutPatient Study): N. Engl. J. Med. 1998, 338, 853.

- Palella, F.J., et al.(HOPS = HIV OutPatient Study): Ann. Intern. Med.2009, 151, 73.

- AMB 2006, 40,24b.

- Sax, P.E., et al.: Lancet2012, 379, 2439.

- DeJesus, E., et al.:Lancet 2012, 379, 2429.

- AMB 2009, 43, 22.

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