In Deutschland sind ca. 500.000 Menschen mit dem
Hepatitis-C-Virus infiziert. Die Hepatitis C ist die häufigste der klinisch
relevanten chronischen Virusinfektionen. Wir haben in den letzten Jahren
mehrfach über neue Wirkstoffe zur Therapie der chronischen Hepatitis C
berichtet (Boceprevir, Telaprevir, Asunaprevir, Daclatasvir; 1). Trotz
deutlicher Fortschritte wird bei ca. 30% der zuvor unbehandelten Patienten mit
chronischer Hepatitis C Genotyp 1 und bei ca. 70% der „Non-Responder”
keine anhaltende Viruselimination (SVR = Sustained Virologic Response) erreicht.
In diesem attraktiven Segment der Behandlung der Hepatitis C versuchen pharmazeutische
Unternehmer - leider auch mittels unübersichtlicher Studien in renommierten Fachzeitschriften
- neue Wirkstoffe auf den Markt zu bringen. Wir wollen dies exemplarisch an
einem Beispiel aus dem N. Engl. J. Med. zeigen (2).
Der neue, direkt wirkende Nukleotid-Polymerase-Inhibitor
Sofosbuvir (früher GS-7977) wurde jetzt in einer offenen Studie mit acht (!) kleinen
Patientengruppen eingesetzt. Die Studie wurde von den Sponsoren Pharmasset und
Gilead in Zusammenarbeit mit dem Studienleiter entworfen und durchgeführt. Es
wurden 40 vorher unbehandelte Patienten mit den Hepatitis-C-Genotypen 2
oder 3 in vier Gruppen randomisiert. In allen vier Gruppen dieses Teils der
Studie erhielten die Patienten 400 mg Sofosbuvir einmal täglich oral plus
Ribavirin 12 Wochen lang. Drei dieser vier Gruppen erhielten zusätzlich
Peginterferon entweder vier (Gruppe 1; n = 9), acht (n = 10; Gruppe 2)
oder zwölf (n = 11; Gruppe 3) Wochen lang und eine Gruppe kein
Interferon (n = 10; Gruppe 4). Eine weitere Gruppe (Gruppe 5)
mit chronischer Hepatits C Genotyp 2 oder 3 bekam eine Monotherapie
mit Sofosbuvir zwölf Wochen lang (n = 10; Gruppe 5) und eine
andere Sofosbuvir acht Wochen lang kombiniert mit Ribavirin und Peginterferon
(n = 10; Gruppe 6). Zusätzlich wurden dann noch in zwei Gruppen
Patienten mit chronischer Hepatitis-C-Infektion mit dem Genotyp 1 zwölf
Wochen lang mit Sofosbuvir plus Ribavirin behandelt. Die eine Gruppe bestand aus
bis dato unbehandelten Patienten (n = 25; Gruppe 7), die andere
aus Non-Respondern (n = 10; Gruppe 8). Wir finden, dass man bei
diesen vielen Gruppen leicht die Übersicht verliert. Außerdem stellt sich bei
so kleinen Gruppen auch die Frage nach der Aussagekraft der Ergebnisse. Ein
klares Therapieziel wurde nicht definiert, es sollte aber über die anhaltende
Viruselimination nach 24 Wochen berichtet werden. Neben dem unübersichtlichen
Aufbau der Studie fällt auch eine sehr tendenziöse Darstellung der Ergebnisse
auf.
So wird zunächst suggeriert, dass durch Sofosbuvir
bei 100% der 40 Patienten in den ersten vier Gruppen eine SVR erreicht wird.
Fast nebenbei wird erwähnt, dass diese auch Ribavirin (n = 10) und
Peginterferon sowie Ribavirin (n = 30) zusätzlich bekommen hatten.
Hier ist zu erwähnen, dass in dieser Gruppe mit der chronischen Genotyp-2/3-Infektion
eine SVR - auch ohne Sofosbuvir - mit der bisherigen Standardtherapie in der
gleichen Größenordnung erreicht wird (3). Auch wieder nur in einem Nebensatz
wird das eigentlich wichtigste Ergebnis dieser Studie erwähnt, dass nämlich nur
sechs von zehn Patienten mit Genotyp 2/3 unter Sofosbuvir-Monotherapie
eine SVR hatten. Damit liegt die Ansprechrate deutlich unterhalb der
Standardtherapie (3). Die Sequenzierung des Hepatitis-C-Genoms bei diesen vier
Patienten mit Rückfall zeigten Mutationen, die wahrscheinlich zur Resistenz
gegenüber Sofosbuvir geführt haben. Die Ergebnisse bei den Patienten mit Genotyp-1-Infektion
entsprachen denen, die wir über die Wirksamkeit der neuen Protease-Inhibitoren
referiert haben (1). In der wichtigen Gruppe der Non-Responder mit
Genotyp 1 Infektion zeigte nur einer von zehn Patienten eine anhaltende
Elimination des Virus (SVR = HCV-RNA < 15 IU/ml). Somit
erscheint die Behandlung dieser wichtigen Patientengruppe mit Ribavirin plus
Sofosbuvir der Behandlung Standardtherapie und Proteaseinhibitoren unterlegen
zu sein.
Die Patienten, die in Kombination mit Sofosbuvir
behandelt wurden, berichteten über eine Reihe von unerwünschten
Arzneimittelwirkungen (UAW), z.B. Kopfschmerzen, Übelkeit, Müdigkeit,
Schlaflosigkeit, Hautausschlag und Anämie. Diese UAW traten etwa im gleichen
Ausmaß auch bei Patienten auf, die ausschließlich mit Sofosbuvir behandelt
wurden.
Fazit: In
der hier besprochenen Studie mit acht kleinen Gruppen ergab eine Therapie mit
dem neuen Nukleotid-Polymerase-Inhibitor Sofosbuvir – in Europa noch nicht
zugelassen - bei Patienten mit chronischer Hepatitis C keinen Zusatznutzen
gegenüber den bisher etablierten Therapien. Möglicherweise können künftige
Studien mit größeren Patientenzahlen zeigen, dass sich dieser Wirkstoff in
Kombination mit Ribavirin für solche Patienten mit chronischer Hepatitis C
eignet, die eine Kontraindikation für Interferon haben.
Literatur
- AMB 2009, 43,36
; AMB 2010, 44, 68 ; AMB 2011,45, 44 ; AMB 2011, 45, 51 ; AMB 2012, 46,11a. 
- Gane, E.J.,et al.: N. Engl. J. Med. 2013, 368, 34.

- Ghany, M.G.,et al.: Hepatology 2009, 49, 1335.

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