Der G-BA hat in den ersten drei Monaten des Jahres 2013
folgende Beschlüsse zum Zusatznutzen neuer Arzneimittel gefasst:
Ivacaftor (Kalydeco®) ist zur Behandlung
der zystischen Fibrose bei Patienten ab sechs Jahren mit einer G551D-Mutation
im Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator (CFTR)-Gen zugelassen.
Als Arzneimittel zur Behandlung eines seltenen Leidens (Orphan drug) gilt der
medizinische Zusatznutzen von Ivacaftor bereits durch die Zulassung als belegt.
Der G-BA bewertete ausschließlich das Ausmaß des Zusatznutzens, und zwar auf
der Grundlage zweier Zulassungsstudien. In ihnen wurde Ivacaftor bei Patienten
ab 12 Jahren (n = 83) bzw. bei Patienten im Alter zwischen 6 und
11 (n = 52) im Vergleich zu Plazebo untersucht (1). In beiden Studien
zeigte sich unter Ivacaftor eine signifikante Zunahme des forcierten
Einsekundenvolumens (FEV1) von rund 10%, während es sich unter Plazebo
kaum veränderte. Der Body-Mass-Index und die Lebensqualität, besonders in der
Domäne „Atmungssystem”, verbesserten sich in beiden Studien ebenfalls statistisch
signifikant unter Ivacaftor. Außerdem fanden sich unter Ivacaftor im Vergleich
zu Plazebo bei Patienten ab 12 Jahren statistisch signifikant weniger pulmonale
Exazerbationen. Wegen der geringen Ereignisrate konnte dieser Endpunkt bei den
jüngeren Patienten nicht berücksichtigt werden. In der Gesamtschau stellt der G-BA
fest, dass Ivacaftor bei Kindern (6-11 Jahre) einen geringen Zusatznutzen,
bei Jugendlichen ab 12 Jahren und bei Erwachsenen sogar einen beträchtlichen
Zusatznutzen gegenüber Plazebo aufweist.
Linagliptin (Trajenta®) ist zur Behandlung
des Diabetes mellitus Typ 2 als Monotherapie und in der
Kombinationstherapie zugelassen. Es wurde im Oktober 2011 formal in Verkehr
gebracht, jedoch im deutschen Markt vom Zulassungsinhaber nicht zur Verfügung
gestellt. Weil der Zulassungsinhaber eine andere als die vom G-BA festgelegte
Vergleichstherapie gewählt hatte, galt das Dossier zur Nutzenbewertung als
unvollständig und der Zusatznutzen als nicht belegt (Beschluss vom 29.3.2012;
2, 3). Bei G-BA-Beschlüssen, die bis zum 31.12.2012 veröffentlicht wurden,
kann der pharmazeutische Unternehmer (pU) eine erneute Nutzenbewertung
beantragen, wenn der Zusatznutzen des neuen Wirkstoffs aufgrund eines
unvollständigen Dossiers als nicht belegt gilt. Einem entsprechenden Antrag für
Linagliptin gab der G-BA statt. In seinem Beschluss vom 21.2.2013 kam er erneut
zu dem Schluss, dass für Linagliptin kein Zusatznutzen vorliegt. Als Gründe
führte der G-BA an, dass die eingereichten Studien nicht zum Beleg eines
Zusatznutzens geeignet waren bzw. nicht nur ein Vergleich zwischen Wirkstoffen
(Linagliptin und Glimepirid), sondern auch ein Vergleich zweier
unterschiedlicher Therapiestrategien durchgeführt wurde. Eine weitere
Nutzenbewertung für Linagliptin betrifft die Zulassungserweiterung der Behandlung
des Diabetes mellitus Typ 2 in Kombination mit Insulin. Der Beschluss des
G-BA für dieses Anwendungsgebiet soll im Mai 2013 vorliegen.
Ruxolitinib (Jakavi®) ist zur Behandlung
der Splenomegalie oder anderer krankheitsbezogener Symptome bei erwachsenen
Patienten mit primärer Myelofibrose, Post-Polycythaemia-vera-Myelofibrose oder
Post-Essentieller-Thrombozythämie-Myelofibrose zugelassen (4). Wegen der
Einstufung als Orphan drug gilt der Zusatznutzen von Ruxolitinib als belegt.
Über die Zulassungsstudien, in denen Ruxolitinib gegen Plazebo bzw. gegen die beste
verfügbare Therapie (Best Available Therapy = BAT) geprüft wurde, haben wir
berichtet (5). Sie waren die Basis des G-BA für die Bewertung des Ausmaßes des
Zusatznutzens. In der Gesamtschau kommt der G-BA zu der Feststellung, dass
Ruxolitinib einen geringen Zusatznutzen gegenüber Plazebo bzw. BAT aufweist, u.a.
aufgrund der Verringerung des pathologisch erhöhten Milzvolumens, verbunden mit
einer vom Patienten spürbaren Abnahme beeinträchtigender Krankheitssymptome,
wie z.B. Nachtschweiß, Hitzegefühl, Juckreiz oder Oberbauchbeschwerden.
Perampanel (Fycompa®) ist als
Zusatztherapie für fokale Anfälle mit und ohne Generalisierung bei Patienten
mit Epilepsie ab 12 Jahren zugelassen (6). Als zweckmäßige
Vergleichstherapie wurde vom G-BA Lamotrigin bzw. Topiramat festgelegt. Der pU
legte Studien zum indirekten und direkten Vergleich vor, die jedoch aus Sicht
des G-BA keine validen Ergebnisse für die Nutzenbewertung von Perampanel liefern
können. Somit gilt der Zusatznutzen von Perampanel als nicht belegt.
Aclidiniumbromid (Eklira® Genuair®,
Bretaris® Genuair®) ist zur bronchodilatatorischen
Dauertherapie bei Erwachsenen mit chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD)
zugelassen, um die Symptome zu lindern (7). Als Vergleichstherapie wurden
langwirksame Beta-2-Sympathikomimetika (Formoterol, Salmeterol) und/oder
langwirksame Anticholinergika (Tiotropiumbromid) bzw. bei Patienten mit
rezidivierenden Exazerbationen zusätzlich inhalative Kortikosteroide
festgelegt. Der pU hatte sowohl einen direkten als auch einen indirekten
Vergleich über Plazebo gegen Tiotropium durchgeführt. Aus Sicht des G-BA ließen
diese Vergleiche jedoch keine valide Bewertung des Zusatznutzens zu, u.a. auf
Grund einer zu kurzen Studiendauer. Der G-BA sieht einen Zusatznutzen von
Aclidiniumbromid als nicht belegt an.
Axitinib (Inlyta®) ist zugelassen zur Behandlung des
fortgeschrittenen Nierenzellkarzinoms bei erwachsenen Patienten nach Versagen
einer vorangegangenen Therapie mit Sunitinib oder einem Zytokin (8). Als
zweckmäßige Vergleichstherapie wurde Everolimus (nach vorangegangener Therapie
mit Sunitinib) bzw. Sorafenib (nach vorangegangener Therapie mit einem Zytokin)
festgelegt. Ein Zusatznutzen von Axitinib gegenüber Everolimus ist laut G-BA
nicht belegt. Als Grund führt der G-BA an, dass für die mit
Sunitinib-vorbehandelten Patienten keine bewertbaren Daten für einen Vergleich
gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie vorlagen. Für den Vergleich mit
Sorafenib legte der pU eine Studie vor, in die nur Patienten mit klarzelligem
metastasiertem Nierenzellkarzinom eingeschlossen worden waren. Hier sah der
G-BA einen Hinweis für einen geringen Zusatznutzen. Für Patienten mit
nicht-klarzelligem Nierenzellkarzinom und Patienten mit lokal fortgeschrittenem
Nierenzellkarzinom ohne (Fern-)Metastasen liegen bislang nur unzureichend Daten
vor, obwohl sie vom zugelassenen Anwendungsgebiet umfasst werden. Dies war
einer der Gründe für den G-BA, die Geltungsdauer des Beschlusses auf vier Jahre
zu befristen.
Literatur
- http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1648/

- http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1654/

- AMB 2012, 46,38.

- http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1665/

- AMB 2012, 46,93.

- http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1664/

- http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1674/

- http://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/1675/

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