Die kardiovaskulären und
gastrointestinalen Nebenwirkungen der nichtsteroidalen Antiphlogistika (NSAID),
einschließlich der Coxibe (Zyklooxygenease-2-Hemmer), scheinen ausreichend
untersucht und gut bekannt. Wir haben mehrfach und ausführlich darüber
berichtet (vgl. 1). Dennoch wollen wir noch einmal darauf zurückkommen,
weil die Häufigkeit bei Patienten mit geringeren kardiovaskulären Risiken nicht
gut charakterisiert ist. Dies untersucht jetzt eine große Metaanalyse aus
Großbritannien (2). Sie wurde von offiziellen Stellen, dem UK Medical Research Council und der British Heart
Foundation, finanziell unterstützt. Allerdings ist die Liste der
Interessenkonflikte der Autoren recht lang.
Für die statistische Untersuchung wurden sehr viele
Studien ausgewertet:
- 280 Studien mit NSAID vs. Plazebo mit 124.513 Teilnehmer(inne)n und 68.342 Patientenjahren,
- 474 Studien mit NSAID vs. einem anderen NSAID mit 229.296 Teilnehmer(inne)n und 163.456 Patientenjahren.
Die Teilnehmer(innen) waren im Median 61 Jahre
alt. Zwei Drittel waren Frauen. Die meisten hatten ein geringes Risiko für
kardiovaskuläre Ereignisse, denn nur wenige hatten Hinweise für eine Arteriosklerose
(9%) oder Diabetes (9%), und nur 17% erhielten zeitweise ASS. Die Indikation
für die Verschreibung der NSAID war bei 80% der Patienten eine Rheumatoide
Arthritis oder Arthrosen. Die minimale Einnahmedauer betrug vier Wochen.
Die wichtigsten untersuchten UAW betrafen:
- Größere vaskuläre Ereignisse: nicht-tödlicher Myokardinfarkt, nicht-tödlicher Schlaganfall, Tod durch ein vaskuläres bzw. koronares Ereignis
- Herzinsuffizienz
- Letalität (vaskulär, nichtvaskulär)
- Obere gastrointestinale Komplikationen: Perforation, Obstruktion oder Blutung.
Fast alle Patienten (99%), bei denen solche Ereignisse
unter NSAID auftraten, hatten hohe Dosen eingenommen, beispielsweise Diclofenac
150 mg/d oder Ibuprofen 2400 mg/d.
Ergebnisse:
In der Coxib-Gruppe traten größere vaskuläre Ereignisse bei 307 Patienten (1,15%/Jahr)
und bei 175 (0,82%/Jahr) in der Plazebo-Gruppe auf (s. Tab. 1). Dabei
kam es zu 95 vaskulär bedingten Todesfällen in der Coxib- und zu 49 in der
Plazebo-Gruppe. Zur Herzinsuffizienz kam es bei 118 (0,66%/Jahr) Patienten in
der Coxib- und bei 39 (0,26%/Jahr) in der Plazebo-Gruppe. Obere gastrointestinale
Ereignisse traten bei 68 (0,38%) in der Coxib- und bei 29 (0,19%) in der
Plazebo-Gruppe auf.
Größere vaskuläre Ereignisse waren also um etwa ein
Drittel häufiger in der Coxib- als in der Plazebo-Gruppe (Rate ratio = RR:
1,37; 95%-Konfidenzintervall = CI: 1,14-1,66; p = 0,0009;
s. Tab. 1). Dies war hauptsächlich durch häufigere koronare
Ereignisse bedingt (RR: 1,76; CI: 1,31-2,37; p = 0,0001). In
ähnlicher Weise fand sich bei Diclofenac ein erhöhtes Risiko für größere vaskuläre
(RR: 1,41; p = 0,0036) und speziell koronare Ereignisse (RR: 1,7; CI:
1,19-2,41; p = 0,0032). Der Unterschied zu Coxiben war nicht signifikant.
Ibuprofen erhöhte ebenfalls das Risiko für koronare Ereignisse (RR: 2,22; CI:
1,1-4,48; p = 0,0253), aber nicht für größere vaskuläre Ereignisse insgesamt
(s. Tab. 1). Im Vergleich zu Plazebo ergab sich aus den Berechnungen
der Autoren für ein Jahr Therapie mit Coxiben oder Diclofenac, dass bei 1000
Patienten drei größere vaskuläre Ereignisse auftreten, von denen eins tödlich
endet.
Tödliche vaskuläre Ereignisse waren signifikant
häufiger in der Coxib- (p = 0,0103; s. Tab. 1) und in der
Diclofenac-Gruppe (p = 0,0187) verglichen mit der Plazebo-Gruppe,
nicht aber unter Ibuprofen und Naproxen. Todesfälle insgesamt waren nur in der
Coxib-Gruppe signifikant häufiger (p = 0,0139; s. Tab. 1),
aber nicht unter den traditionellen NSAID, obwohl für Diclofenac formal ein
erhöhtes Risiko für vaskulären Tod errechnet wurde.
Das Risiko für größere vaskuläre Ereignisse erhöhte
sich relevant nach mehr als sechsmonatiger (!) Behandlung mit Coxiben oder
Diclofenac. Unterschiede zwischen den einzelnen Coxiben hinsichtlich der hier
geprüften vaskulären UAW ergaben sich nicht. Das Risiko für eine kardiale
Dekompensation, die zu einer Krankenhauseinweisung führte, war in der Coxib-Gruppe
ca. doppelt so hoch wie in der Plazebo-Gruppe (s. Tab. 1). Für
Schlaganfälle ergab sich in dieser Metaanalyse kein erhöhtes Risiko durch die
Einnahme von NSAID generell.
Unter Einnahme von Naproxen wurde kein erhöhtes
Risiko für größere vaskuläre Ereignisse gefunden (s. Tab. 1). Dieses
positive Ergebnis sollte aber aus mehreren Gründen kritisch gesehen werden: Es
ist nicht klar, ob dieser zunächst günstige Effekt auch dann nachweisbar bleibt,
wenn Patienten zusätzlich mit ASS behandelt werden. Dann fällt der ASS-ähnliche
Effekt von Naproxen (Thrombozytenaggregationshemmung) nicht mehr ins Gewicht. Es
ist dagegen sogar möglich, dass Naproxen durch Interaktion die Wirkung von ASS
abschwächt (3). Auch könnte bei niedrigen Naproxen-Dosierungen (220 mg/d) der
ASS-ähnliche Effekt nicht wirksam werden. Unter Naproxen wurden besonders häufig
gastrointestinale Blutungen registriert, verglichen mit Plazebo und auch mit
Coxiben (s. Tab. 1)
Fazit: Auch
bei Patienten ohne größere kardiovaskuläre Risiken oder kardiovaskuläre Vorerkrankungen
erhöht eine längere Behandlung mit Coxiben oder mit hochdosiertem Diclofenac das
Risiko für vaskuläre Ereignisse und vaskulären Tod. Ibuprofen erhöht das Risiko
für koronare Ereignisse. Hinsichtlich der Häufigkeit oberer gastrointestinaler
Komplikationen unterscheiden sich die nichtsteroidalen Antiphlogistika nicht generell,
aber graduell. Auch bei Patienten mit geringerem kardiovaskulären Risiko bleibt
es bei unserer Empfehlung, dass traditionelle NSAID oder Coxibe nur bei
richtiger Indikation, in individuell angepasster Dosierung und, wenn möglich,
nur kurzzeitig bzw. bei Bedarf eingenommen werden sollen (1).
Literatur
- AMB 201, 45,21
. AMB 2013, 47, 46a.
- Coxib andtraditional NSAID Trialists’ (CNT) Collaboration: Lancet 2013, 382, 769.

- Capone, M.L.,et al.: J. Am. Coll. Cardiol. 2005, 45, 1295.

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