Edoxaban ist ein weiterer direkter Faktor-Xa-Antagonist,
der auf den lukrativen Gerinnungshemmer-Markt drängt und die Vitamin-K-Antagonisten
(VKA) ablösen soll. Edoxaban muss wie Rivaroxaban nur einmal täglich
eingenommen werden. Der Wirkstoff wird von Daiichi Sankyo hergestellt und ist
seit 2011 in Japan unter dem Handelsnamen Lixiana®
für die Thromboseprophylaxe bei orthopädischen Eingriffen zugelassen.
Der Zulassungsantrag bei der EMA und FDA wird für das erste Quartal 2014
erwartet. Dies wird nun in einer Publikationsoffensive im N. Engl. J. Med. vorbereitet.
In der Hokusai-VTE Studie (1) wurde Edoxaban in der
Sekundärprophylaxe bei über 8000 Patienten nach venöser Thromboembolie mit/ohne
Lungenembolie und vorausgegangener Therapie mit Heparin getestet. Es ergab sich,
dass 60 mg/d Edoxaban symptomatische Rezidivereignisse ebenso effektiv
verhindert wie Warfarin (3,2% vs. 3,5%), aber signifikant weniger Blutungen verursacht
(8,5% vs. 10,3%; Hazard Ratio = HR: 0,81;
95%-Konfidenzintervall = CI: 0,71-0,94; p = 0,004 für Überlegenheit).
Ob dieser Vorteil in der Sicherheit gegenüber einem VKA
auch bei der Indikation Vorhofflimmern besteht, sollte in der ENGAGE-AF-TIMI-48-Studie
nachgewiesen werden (2). Sie ist die bislang größte Studie zu einem neuen
oralen Antikoagulans (NOAK). Zwischen 2008 und 2010 wurden weltweit an 1393
Zentren über 21.000 Patienten mit Vorhofflimmern eingeschlossen. Der CHADS2-Score
sollte ≥ 2 sein (vgl. 3). Ausgeschlossen waren u.a. Patienten
mit stark eingeschränkter Nierenfunktion (Kreatinin-Clearance < 30 ml/min),
einem „erhöhten Blutungsrisiko“ oder einer Indikation zur dualen
Plättchenhemmung. Das mediane Alter der Patienten betrug 72 Jahre, 40%
waren ≥ 75 Jahre, 38% Frauen; der mittlere CHADS2-Score
betrug 2,8. Die Patienten erhielten in drei Behandlungsarmen Edoxaban
(30 mg/d oder 60 mg/d) oder Warfarin (Ziel-INR: 2-3). Bei einer
Kreatininclearance von 30-50 ml/min, einem Körpergewicht unter 60 kg
oder bei einer Komedikation mit einem Arzneimittel, das mit Glykoprotein P
interagiert (Verapamil, Chinidin, Dronedaron), wurde die Edoxaban-Dosis
halbiert (von 60 mg/d auf 30 mg/d bzw. von 30 mg/d auf 15 mg/d).
Die Patienten erhielten die Studienmedikation doppeltblind mit Doppel-dummy und
allen wurden INR-Werte mitgeteilt, also auch denen, die Edoxaban einnahmen
(Schein-INR).
Primärer
Effektivitätsendpunkt war der Zeitpunkt bis zum ersten Schlaganfall oder bis zur
ersten systemischen Thromboembolie. Primärer Sicherheitsendpunkt waren
Major-Blutungen nach der TIMI-Klassifikation. Die mediane Beobachtungszeit
betrug 2,8 Jahre.
Ergebnisse: Nur
etwa ein Drittel der Patienten nahm die Antikoagulanzien während der gesamten
Studiendauer ein: 34,5% in der Warfarin-, 37,4% in der Hochdosis- und 38,2% in
der Niedrigdosis-Edoxaban-Gruppe. Ein Drittel unterbrach die Medikation
mindestens einmal im Studienverlauf, und 34,5% bzw. 34,4% bzw. 33,0% setzten
die Studienmedikation ganz ab. Die Gründe hierfür waren ein unerwünschtes
Ereignis, das Erreichen eines Studienendpunkts (16,7% bzw. 17,2% bzw. 15,6%)
oder der Wunsch des Patienten bzw. des behandelnden Arztes (12,4% bzw. 11,9%
und 12,7%). Bei 25,3% wurde Edoxaban von Beginn an in halber Dosis zugeteilt,
bei weiteren 7,1% wurde dies im Laufe der Studie erforderlich. Diese Zahlen zeigen,
dass auch die Therapie mit Edoxaban häufig unterbrochen und die Dosierung
angepasst werden muss. Im Warfarin-Arm befanden sich 68,4% der Patienten während
der Einnahmezeit im INR-Zielbereich, und bei 83,1% der Messungen lag die INR zwischen 1,8 und 3,2.
Dies ist die beste Einstellung in allen großen NOAK-Studien.
Den primären
Effektivitätsendpunkt (Schlaganfall, systemische Embolie) erreichten über den
gesamten Studienzeitraum 232 Patienten mit VKA (dies entspricht einer Rate
von 1,5%/Jahr), 182 Patienten mit 60 mg/d Edoxaban (1,18%/Jahr) und
253 Patienten mit 30 mg/d Edoxaban (1,61%/Jahr). Diese Unterschiede
waren nicht signifikant (s. Tab. 1). Die berechnete Hazard-Ratio (HR)
gegenüber Warfarin betrug für die hohe Edoxaban-Dosis 0,87 (97,5%-CI: 0,73-1,04;
p = 0,08) und 1,13 für die niedrige Edoxaban-Dosis (97,5%-CI: 0,96-1,34;
p = 0,1). Beide Edoxaban-Dosierungen sind Warfarin in der Effektivität
also nicht unterlegen. In einer zweiten Berechnung des primären Endpunkts nur
für die Zeit, in der die Patienten auch tatsächlich antikoaguliert waren, ergab
sich für den primären Endpunkt ein signifikanter Vorteil für die hohe Dosis
Edoxaban (HR: 0,79; CI: 0,63-0,99; p < 0,001) und
ein Nachteil für die niedrige Edoxaban-Dosierung (HR: 1,07; CI: 0,87-1,31;
p = 0,005).
Hinsichtlich Blutungskomplikationen
schnitt Edoxaban günstiger ab als Warfarin. Die jährliche Rate an Major-Blutungen
betrug 3,43% mit Warfarin, 2,75% mit 60 mg/d Edoxaban und 1,61% mit 30 mg/d
Edoxaban (HR gegenüber Warfarin: 0,8; CI: 0,71-0,91 bzw.
HR: 0,47; CI: 0,41-0,55). Weitere Ereignisse
sind in Tab. 1 wiedergegeben. Bemerkenswert sind vermehrte gastrointestinale
Blutungen unter Edoxaban-Hochdosis und eine geringere Letalität unter der
Niedrigdosis. Letzteres wird sicherlich bei einer späteren Vermarktung des
Arzneimittels eine große Rolle spielen.
Entsprechend wurden
nun Berechnungen des Netto-Nutzens auf Basis der Ereignisse während der aktiven
Behandlungszeit angestellt. Diese Rechenmodelle waren aber offensichtlich
vorher nicht definiert (3). Demnach ergibt sich bei einem zusammengesetzten
Endpunkt aus Tod, Schlaganfall, systemischer Embolie oder Major Blutung
(Modell 1 in Tab. 1) ein Vorteil von 0,85 Prozentpunkten/Behandlungsjahr
für 60 mg/d Edoxaban (NNT: 117) und von 1,32 Prozentpunkten/Behandlungsjahr
für 30 mg/d Edoxaban (NNT: 76) gegenüber Warfarin.
Vier der 21 Autoren
sind Mitarbeiter der Herstellerfirma, alle übrigen unterhalten umfangreiche
Beziehungen zur Industrie (Beratertätigkeit, Vorträge, Forschungsstipendien).
Bemerkenswert ist auch, dass sie versichern, alle Analysen selbst vorgenommen
und den Text der Publikation selbst verfasst zu haben und dass es kein
vertragliches Recht für Daiichi Sankyo gab, die Datenanalyse zu beeinflussen
bzw. die Publikation zu verhindern.
Fazit: Edoxaban
ist ein Faktor-Xa-Antagonist aus Japan, der bei Patienten mit
Beinvenenthrombosen, pulmonalen Embolien und Vorhofflimmern ein günstigeres
Nutzen/Risiko-Profil zu haben scheint als Warfarin. Es fällt auf, dass die
Hersteller mit der vorgeschlagenen Dosis vorsichtiger werden. Der sekundäre
Endpunkt in der ENGAGE-AF-Studie, „Net clinical benefit“, wird im Wesentlichen
durch die Wahl einer niedrigen Dosis günstig beeinflusst. Wie auch bei den drei
anderen bereits zugelassenen NOAK, kann die antikoagulatorische Wirkung von
Edoxaban nicht exakt gemessen werden, und es gibt ebenfalls kein Antidot.
Literatur
- TheHokusai-VTE Investigators: N. Engl. J. Med. 2013, 369, 1406.

- Giuliagno,R., et al. (ENGAGE AF-TIMI 48 = Effective anticoagulation with Factor Xa - Next Generation in Atrial Fibrillation- Thrombolysis In Myocardial Infarction 48): N.Engl. J. Med. 2013, 369, 2093.

- AMB2012, 46, 17
und AMB 2011, 45, 73. 
- Ruff, T.R., etal. (ENGAGEAF-TIMI 48 = Effective anticoagulation with Factor Xa - Next Generation in Atrial Fibrillation- Thrombolysis In Myocardial Infarction 48): Am.Heart J. 2010, 160, 635.

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