Trastuzumab (Herceptin®) ist ein monoklonaler
Antikörper gegen den Rezeptor des humanen epidermalen Wachstumsfaktors 2
(HER2), der in der Therapie des HER2-positiven Brustkrebses fest etabliert ist.
Er wird in der Mono- und Kombinationstherapie des metastasierten Mammakarzinoms
eingesetzt, aber auch im Frühstadium der Erkrankung in der neoadjuvanten
(präoperativen) oder adjuvanten Behandlung (1, vgl. 2). Das Patent für
Trastuzumab wird im Juli 2014 auslaufen (3).
Ende letzten Jahres brachte der Zulassungsinhaber von Trastuzumab
(Roche) Trastuzumab Emtansin (Kadcyla®) zur Behandlung des
fortgeschrittenen Mammakarzinoms auf den Markt. Die Substanz ist ein
Antikörper-Wirkstoff-Konjugat, das aus Trastuzumab und dem Mitosehemmstoff DM1
besteht. DM1 ist über einen Thioether-Linker (4-[N-Maleimidomethyl]cyclohexan-1-carboxylat
= MCC) kovalent an Trastuzumab gebunden. Der Begriff Emtansin bezeichnet die
Kombination aus Linker und DM1. Die Wirkung von Trastuzumab Emtansin beruht auf
beiden Komponenten: über Trastuzumab bindet die Substanz an die extrazelluläre
Domäne des HER2-Rezeptors, inhibiert die Signalübertragung und vermittelt eine
Antikörper-abhängige zellvermittelte Zytotoxizität. DM1, ein Maytansinderivat,
führt über eine Bindung an Tubulin zum apoptotischen Zelltod. Die MCC-Brücke
soll die systemische Freisetzung von DM1 begrenzen und eine zielgerichtete
Abgabe verstärken (4).
Grundlage der Zulassung war eine randomisierte,
multizentrisch und unverblindet durchgeführte Phase-III-Studie. Eingeschlossen
wurden insgesamt 991 Patientinnen mit HER2-positivem, inoperablem, lokal
fortgeschrittenem oder metastasiertem Brustkrebs, die bereits eine Therapie mit
Trastuzumab und/oder einem Taxan erhalten hatten. Außerdem wurden Patientinnen
behandelt, die Trastuzumab und/oder ein Taxan adjuvant erhalten und während
oder innerhalb von sechs Monaten nach Abschluss der Behandlung einen Rückfall
erlitten hatten (5, 6). Für diese Patientengruppen wurde Kadcyla®
später auch zugelassen (4). Voraussetzung für die Teilnahme an der Studie war
ein guter Allgemeinzustand (ECOG 0-1) und eine linksventrikuläre
Ejektionsfraktion von ≥ 50%. Zu den Ausschlusskriterien gehörten periphere
Polyneuropathie und kardiale Vorerkrankungen.
Die Patientinnen wurden behandelt mit Trastuzumab Emtansin
(3,6 mg/kg Körpergewicht über 30-60 Minuten alle 21 Tage) oder mit
Lapatinib plus Capecitabin (Lapatinib 1250 mg/d oral einmal täglich plus
Capecitabin 1000 mg/m2 oral zweimal täglich an Tag 1-14 in
einem 21-tägigen Zyklus). Als primäre Endpunkte wurden das progressionsfreie Überleben
(Progression free survival = PFS) und das Gesamtüberleben (Overall survival = OS)
definiert. Zu den sekundären Endpunkten gehörten die Ansprechrate und die Zeit
bis zur Progression der Symptome. 986 Patientinnen und fünf Patienten
wurden randomisiert. Sie waren im Median 53 Jahre alt. Die mediane
Behandlungsdauer war unter Trastuzumab Emtansin länger als unter Lapatinib und
Capecitabin (5,7 Monate vs. 4,9 bzw. 4,8 Monate; 6).
Das mediane OS in einer nicht geplanten Zwischenanalyse
betrug unter Trastuzumab Emtansin 30,9 Monate vs. 25,1 Monate unter
Lapatinib plus Capecitabin (Hazard Ratio = HR: 0,68; 95%-Konfidenzintervall = CI:
0,55-0,85; p < 0,001). Auch das mediane PFS war unter Trastuzumab
Emtansin mit 9,6 Monaten im Vergleich zu 6,4 Monaten unter Lapatinib
plus Capecitabin verlängert (HR: 0,65; CI: 0,59-0,77; p < 0,0001).
Die sekundären Endpunkte fielen ebenfalls zugunsten von Trastuzumab Emtansin
aus (5).
Bei Patientinnen zwischen 65 und 74 Jahren (n = 113)
war der Vorteil von Trastuzumab Emtansin nicht mehr statistisch signifikant (HR
OS: 0,74; CI: 0,37-1,47 und HR PFS: 0,88; CI: 0,53-1,45). In der kleinen Gruppe
der Patientinnen, die älter als 74 Jahre alt waren (n = 25)
zeigte sich ein Vorteil eher für eine Behandlung mit Lapatinib plus Capacitabin
(HR: 3,45; CI: 0,94-12,55).
Die Zeit zur Progression der Symptome wurde erhoben mit der
Teilskala „Trial Outcome Index-Physical Functional
Breast (= TOI-PFB)“ des „Functional Assessment of Cancer
Therapy-Breast (FACT-B)“-Fragebogens. Von ungefähr der Hälfte der
Patientinnen in beiden Armen lagen Daten vor. Danach war die Zeit bis zur
Symptomprogression unter Trastuzumab Emtansin verlängert (im Median 7,1 vs.
4,6 Monate; 5). Dies wird in einem Artikel hervorgehoben, der mit der
Unterstützung von Ghostwritern verfasst wurde, die vom Zulassungsinhaber
bezahlt wurden (7). Da die Studie nicht verblindet durchgeführt wurde, sind
diese Ergebnisse aber nur sehr eingeschränkt zu verwerten.
Bei fast allen Patientinnen in beiden Armen traten
Nebenwirkungen auf (95,9% bzw. 97,7%). Schwere Nebenwirkungen (Grad 3 oder
höher) kamen unter Lapatinib plus Capecitabin häufiger vor als unter
Trastuzumab Emtansin (57% vs. 41%). Unter Trastuzumab Emtansin traten häufiger
Thrombozytopenien und Anstiege der Transaminasen auf, dagegen waren Durchfall,
Übelkeit, Erbrechen und palmoplantare Erythrodysästhesie unter Lapatinib plus
Capecitabin häufiger. Bei drei Patientinnen in jeder Gruppe nahm die
linksventrikuläre Ejektionsfraktion auf < 40% ab. Bei älteren
Patientinnen (≥ 65 Jahre) traten schwere Nebenwirkungen etwas
häufiger auf als bei jüngeren Patientinnen.
Weil DM1 vermutlich hauptsächlich über CYP3A4 und in
geringerem Maße über CYP3A5 verstoffwechselt wird, sollten starke
CYP3A4-Hemmer, wie z.B. Ketoconazol, Clarithromycin und Ritonavir, vermieden
werden (Details siehe Fachinformation; 4).
Wegen der ähnlich klingenden Wirkstoffe (Trastuzumab
Emtansin und Trastuzumab) besteht die Gefahr einer Verwechslung von Kadcyla®
mit Herceptin®. Der Zulassungsinhaber stellt Schulungsmaterialien bereit,
um Anwendungsfehler zu vermeiden (8).
Zurzeit wird in verschiedenen Phase-III-Studien Trastuzumab
Emtansin bei anderen Indikationen geprüft: bei Patientinnen mit Brustkrebs in
frühen Erkrankungsstadien, außerdem auch bei Patienten mit HER2-positivem, inoperablem
Magenkarzinom (9, vgl. 10).
Die Arzneimittelkosten für einen Zyklus Trastuzumab Emtansin
liegen bei ca. 6.600 € (11). Ein Zyklus Lapatinib plus Capecitabin kostet
ca. 2.500 €.
Fazit: Bei Patientinnen mit fortgeschrittenem HER2-positivem
Brustkrebs verlängerte Trastuzumab Emtansin im Vergleich zu Lapatinib plus
Capecitabin in einer nicht geplanten Zwischenanalyse einer offen durchgeführten
Phase-III-Studie das OS um fast sechs Monate und das PFS um ca. drei Monate.
Sekundäre Endpunkte fielen ebenfalls zugunsten von Trastuzumab Emtansin aus und
Nebenwirkungen waren seltener. Mit zunehmendem Alter scheinen die Patientinnen
weniger zu profitieren. Repräsentative Daten zur Progression der Symptome der
Patientinnen lagen nicht vor. Die Daten sind vielversprechend (12), es sollten
aber die endgültigen Studienergebnisse im November 2014 abgewartet und vor
allem durch mindestens eine weitere Studie belegt werden.
Literatur
- http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/032-045OL_k_S3 __Brustkrebs_Mammakarzinom_Diagnostik_ Therapie_Nachsorge_2012-07.pdf

- AMB 2006, 40, 41.

- http://www.gabionline.net/Biosimilars/Research/ US-54-billion-worth-of-biosimilar-patents-expiring-before-2020

- Roche Pharma AG: FachinformationKadcyla®, Stand November 2013.
- http://www.ema.europa.eu/...

- Verma, S., et al. (EMILIA):N. Engl. J. Med. 2012, 367, 1783
. Erratum: N. Engl. J. Med. 2013, 368,2442.
- Welslau, M., et al.: Cancer2013. DOI:10.1002/cncr.28465.

- http://www.roche.de/pharma/indikation/fachinfo/onkologie/...

- http://eprints.hta.lbg.ac.at/998/1/DSD_HSO_Nr.36.pdf

- AMB 2010, 44, 58.

- Lauer Taxe, Stand Februar 2014.
- http://www.nejm.org/doi/pdf/10.1056/NEJMe1211736

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