Zusammenfassung: Neue Wirkstoffe mit neuen
Wirkprinzipien eliminieren bei chronischer Hepatitis C nach den
Ergebnissen erster Studien häufiger das Virus als die Standardtherapie mit
Interferon alfa plus Ribavirin und Proteasehemmern der ersten Generation (Telaprevir
und Boceprevir). Die neuen Wirkstoffe scheinen auch deutlich besser verträglich
zu sein als die Proteaseinhibitoren der ersten Generation. Mit der Kombination
neuer Wirkstoffe, z.B. Sofosbuvir plus Lepidasvir in einer Tablette und nur
einmal täglicher Einnahme – also einer Therapie ohne Interferon-Injektionen und
ohne Ribavirin – wurde bei deutlich kürzerer Therapiedauer und bei Infektionen
mit unterschiedlichen Genotypen bei > 85% der Patienten eine komplette
Viruselimination erreicht. Dies gelang auch bei Patienten mit bisher sehr
geringen Erfolgschancen, z.B. solchen, die auf eine Therapie einschließlich
eines Proteaseinhibitors nicht angesprochen hatten, Patienten, bei denen wegen
einer psychischen Erkrankung Interferon alfa kontraindiziert ist, und bei Patienten
mit kompensierter Leberzirrhose.
Weltweit sind ca. 170-200 Mio. Menschen mit dem Hepatitis-C-Virus
chronisch infiziert. Jährlich sterben mehr als 350.000 an den Folgen (1). In
Deutschland ist die Hepatitis C mit ca. 0,5 Mio. chronisch Erkrankten
die häufigste klinisch relevante chronische Virusinfektion. Es gibt sechs verschiedene
Genotypen des Hepatitis-C-Virus, die regional unterschiedlich häufig sind. Der
Genotyp 1 überwiegt weltweit.
Zur Geschichte der Hepatitis-C-Therapie: Vor einem Vierteljahrhundert wurde das Hepatitis-C-Virus
entdeckt. Bis dahin fiel die Erkrankung unter die ungenaue Sammelbezeichnung
„Non A, non B Hepatitis“. Zunächst war die chronische Virusinfektion nicht heilbar,
dann kamen kleine therapeutische Erfolge durch Interferon alfa: bei ca. 15% der
Patienten wurde das Virus anhaltend eliminiert (Sustained virological response
= SVR). Die SVR ist das primäre Behandlungsziel. Durch Pegylierung von
Interferon alfa (Peginterferon alfa) wurde die Pharmakokinetik und damit die
Wirksamkeit verbessert. Mit Peginterferon alfa in Kombination mit Ribavirin wurde
die SVR auf ca. 50% gesteigert. 2011 wurden die beiden ersten Proteaseinhibitoren,
Boceprevir (Victrelis®) und Telaprevir (Invico®),
zugelassen. Jeweils in Kombination mit Peginterferon alfa plus Ribavirin (Dreifachkombination)
wurden SVR von ca. 70% erzielt. Wir haben in den letzten Jahren über fast alle
neuen Wirkstoffe zur Therapie der chronischen Hepatitis C berichtet: über
die ersten Proteaseinhibitoren Telaprevir und Boceprevir (2), über eine neue,
direkt auf die Hepatitisviren wirkende Substanz, den HCV-NS5A-Replikationskomplex-Inhibitor
Daclatasvir in Kombination mit dem NS3-Proteaseinhibitor Asunaprevir (3) und
zuletzt über den oral einzunehmenden Nukleotid-Polymerase-Inhibitor Sofosbuvir
(4). Für Patienten, die auf eine Behandlung mit den bisher zugelassenen Wirkstoffen
nicht ansprechen, wird es künftig Alternativen geben (s. Tab. 1 und 2).
Patienten mit chronischer Hepatitis C und kompensierter Leberzirrhose
waren bisher schlecht oder gar nicht zu behandeln. Probleme gibt es auch bei
Patienten, die wegen psychischer Erkrankungen kein Interferon erhalten sollten.
Ziel der Behandlung der chronischen Hepatitis C ist die SVR, weil dadurch Folgeerkrankungen,
wie Leberzirrhose und hepatozelluläres Karzinom, vermindert werden können und
somit auch die Letalität gesenkt werden kann. 2014 ist also für diese Infektion
aus verschiedenen Gründen ein bemerkenswertes Jahr (5).
Neue Studienergebnisse: Anfang des Jahres wurden mehrere Studien mit neuen,
sehr wirksamen und akzeptabel verträglichen Wirkstoffkombinationen veröffentlicht,
und weitere werden sicher folgen. Zwei wollen wir exemplarisch besprechen, denn
die immer komplexeren Kombinationstherapien (vgl. Tab. 2) können
wahrscheinlich vereinfacht werden. In beiden offenen Studien wurde die
Wirksamkeit der Kombination Sofosbuvir plus Daclatasvir (6) sowie Sofosbuvir
plus Ledipasvir (7) untersucht und dies bei Patienten mit vorher unbehandelter
sowie vorher erfolglos behandelter chronischer Hepatitis C. Daclatasvir (vgl. 3)
und Ledipasvir sind die ersten HCV-NS5A-Replikations-Komplex-Inhibitoren. Sie
können wie Sofosbuvir (vgl. 4) oral eingenommen werden.
In der ersten Studie (6; gesponsert von Bristol-Myers
Squibb und Pharmasset), wurden zunächst 44 unbehandelte Patienten mit
chronischer Hepatitis C Genotyp 1 und 44 unbehandelte Patienten mit
chronischer Hepatitis C Genotyp 2 oder 3 randomisiert. Sie erhielten
Daclatasvir 60 mg und Sofosbuvir 400 mg je einmal täglich oral mit
bzw. ohne Ribavirin 24 Wochen lang. Die Studie wurde dann um weitere
123 Patienten mit chronischer Hepatitis C erweitert. Von diesen waren
82 unbehandelt und wurden nur 12 Wochen lang behandelt, und 41 Patienten
waren zuvor erfolglos behandelt worden, einschließlich eines Proteaseinhibitors
(Telaprevir oder Boceprevir plus Peginterferon alfa plus Ribavirin). Der
primäre Endpunkt war die SVR 12 Wochen nach Ende der Therapie.
Insgesamt wurden 211 Patienten kombiniert mit
Daclatasvir plus Sofosbuvir behandelt. Bei Patienten mit Hepatitis-C-Genotyp 1
erreichten 98% der 126 bis dato Unbehandelten und 98% der zuvor erfolglos
Behandelten eine SVR 12 Wochen nach Ende der Therapie. Bei Patienten mit
den bei uns seltenen Hepatitis-C-Genotypen 2 und 3 war die SVR etwas
niedriger: 92% der 26 Patienten mit Genotyp 2-Infektion und 89% der
Patienten mit Genotyp 3. Bei Subgruppen des Genotyps 1 war die
Ansprechrate annähernd gleich (1a = 98% und 1b = 100%). Die
Unterschiede in den Ansprechraten zwischen Patienten mit und ohne Mutation im
IL28 (93% vs. 98%) und in den Gruppen mit bzw. ohne Ribavirin (94% vs. 98%)
waren gering.
Die häufigsten UAW waren Müdigkeit, Kopfschmerzen und
Übelkeit. In der Ribavirin-Gruppe trat die bekannte UAW Anämie häufiger auf als
in den Gruppen ohne Ribavirin.
In die zweite Studie (7) wurden in einem
US-amerikanischen Zentrum von November bis Dezember 2012 insgesamt
100 Patienten (> 18 Jahre) mit einer Hepatitis-C-Genotyp 1-Infektion
eingeschlossen. Es sollte geprüft werden, wie wirksam und verträglich die
Behandlung mit einer einmal täglich einzunehmenden Tablette ist, die
400 mg Sofosbuvir und 90 mg Lepidasvir enthält. Ledipasvir ist
wirksam bei Genotyp 1 und auch bei der einzigen bisher gefundenen
Virusmutation (S282T), die die Wirksamkeit von Sofosbuvir vermindern kann (8).
Die Studie wurde von Gilead Sciences gesponsert.
In einer Kohorte A wurden 60 bis dato
unbehandelte Patienten mit chronischer Hepatitis C in drei Gruppen 1:1:1
randomisiert und nach Genotyp 1a und 1b stratifiziert. Die 1. Gruppe
erhielt acht Wochen lang die Kombinations-Tablette (s.o.); die 2. Gruppe
erhielt zusätzlich Ribavirin und die 3. Gruppe erhielt die
Kombinationstablette 12 Wochen lang.
In Kohorte B wurden 40 Patienten mit
chronischer Hepatitis C, die bereits auf eine Dreifach-Therapie
einschließlich einem Proteaseinhibitor nicht angesprochen hatten, in zwei
Gruppen (4. und 5. Gruppe) 1:1 randomisiert und nach Genotyp 1a und
1b und Leberzirrhose stratifiziert. 22 Patienten (55%) in Kohorte B
hatten eine kompensierte Leberzirrhose. Die 4. Gruppe erhielt
12 Wochen lang die Kombinations-Tablette, die 5. Gruppe erhielt
zusätzlich Ribavirin. Primärer Endpunkt der Studie war SVR 12 Wochen nach Ende
der Therapie.
In Kohorte A (bisher unbehandelte Patienten)
hatten eine SVR in der 1. Gruppe 19 von 20 Patienten (95%), 21 von 21 in
der 2. Gruppe und 18 von 19 (95%) in der 3. Gruppe. In Kohorte B
(Therapieversagen und Patienten mit kompensierter Leberzirrhose) hatten eine
SVR in der 4. Gruppe 18 von 19 (95%) und 21 von 21 in der 5. Gruppe.
Zwei der drei Patienten ohne SVR hatten einen viralen Rückfall, und ein Patient
erschien nicht mehr zu den Folgeuntersuchungen.
Die häufigsten UAW waren in dieser Studie Übelkeit,
Anämie, Kopfschmerzen und respiratorische Infekte. Nur ein Patient
(5. Gruppe) hatte eine schwere UAW – eine Anämie, die auf Ribavirin
zurückzuführen war.
Diese Ergebnisse und der eventuelle Nutzen der
Kombination mit Ribavirin müssen an größeren Patientenzahlen überprüft werden.
Die hier erzielten Ergebnisse sind jedoch zunächst erfreulich. Die Therapie der
chronischen Hepatitis C wird vereinfacht und verkürzt. Außerdem können mit
der neuen Kombination nun auch psychisch Kranke und Patienten mit kompensierter
Leberzirrhose mit Erfolg behandelt werden.
Laufende Studien: Weitere neue Wirkstoffe zur Therapie der chronischen Hepatitis C
sind in verschiedenen Phasen klinischer Studien. Im Wesentlichen handelt es
sich um vier Wirkstoffklassen (s. Tab. 1): Zweite Generation der
Proteaseinhibitoren (PI), NS5B Polymerase-Inhibitoren (NS5B.I),
NS5A-Komplex-Inhibitoren (NS5A.I) und Wirtszellen-interagierende Substanzen
(WIA). Wichtige Schritte, die Wirksamkeit (SVR) der Therapie zu verbessern – auch
um eine Resistenzbildung zu vermindern, werden die verschiedenen Kombinationen
dieser Wirkstoffe sein mit und ohne Ribavirin oder Interferon alfa. Eine
Übersicht derzeit laufender Studien mit Kombinationen gibt Tab. 2.
Zweite Generation Proteaseinhibitoren (PI): Nachteil der ersten PI, Boceprevir und Telaprevir
(vgl. 2), waren häufige Nebenwirkungen. Zum Teil musste die Behandlung deshalb
unterbrochen oder abgesetzt werden. Weitere Probleme waren die geringe
Resistenzbarriere und die Wirksamkeit nur bei Genotyp 1. Die 2. Generation
der PI ist besser verträglich und wirkt auch gegen die meisten Genotypen,
ausgenommen Genotyp 3 (9; s. Tab. 1).
NS5B Polymerase-Inhibitoren (NS5B.I): Diese Nukleosid/Nukleotid-Inhibitoren sind „falsche“
Substrate für die virale Polymerase, binden am aktiven Zentrum NS5B des
Hepatitis-C-Virus und führen zu Fehlern in der wachsenden RNS-Kette. Da die
NS5B-Region bei allen Genotypen hochkonserviert ist, wirken diese Substanzen auch
bei allen. Der erste Vertreter dieser Klasse war Mericitabin, der allerdings
eine schwächere Wirkung beim Genotyp 1 zeigte (10), aber eine hohe gegen
die Genotypen 2, 3 und 4 (11; s. Tab. 1). In Kombination mit
einem PI und/oder Ribavirin und/oder Interferon alfa ergab sich bei allen Genotypen
eine gute SVR (s. Tab. 2). Das Pyrimidin-Analog Sofosbuvir ist ein
gegen alle Genotypen hochwirksamer NS5B.I mit hoher Resistenzbarriere (15).
NS5A-Komplex-Inhibitoren (NS5A.I): HCV-NS5A ist ein Phosphoprotein. Es hat keine
enzymatischen Funktionen, aber eine entscheidende Rolle in der HCV-Replikation.
NS5A hat drei strukturelle Domänen. Domäne I ist essentiell für die
HCV-Replikation und Domäne II für die Bindung an das zelluläre
Zyklophilin A. Die Domäne III soll für die Zusammensetzung der
Viruspartikel wichtig sein (12). Der erste Vertreter dieser Klasse ist
Daclatasvir (vgl. 3, 6). Andere sind in Entwicklung, und verschiedene
Kombinationen mit anderen Wirkstoffen werden geprüft (s. Tab. 1 und 2).
Wirtszelle-interagierende Substanzen (WIA): Zyklophiline sind eine hochkonservierte Familie
humaner Enzyme, die an verschiedenen zellulären Prozessen wie Proteinfaltung,
Transport und Sekretion sowie an Funktionen der Mitochondrien und Immunantworten
beteiligt sind (13). Das Hepatitis-C-Virus nutzt diese Enzyme als Kofaktor für
die Replikation. In den Hepatozyten verbinden sich Zyklophilin A und B mit
den viralen Proteinen NS5A, NS5B und NS2 und formen einen Replikationskomplex
(13). Alisporivir ist ein nicht-immunsuppressiver Typ der
Zyklophilin-Inhibitoren und wirkt stark gegen viele Genotypen des Hepatitis-C-Virus
(14). Allerdings traten in einer Phase-III-Studie mit Alisporivir vermehrt
Pankreatitiden auf, von denen eine fatal ausging bei Behandlung mit dieser
Substanz in Kombination mit einem Proteaseinhibitor (15). Zwei weitere
Vertreter dieser Klasse (SCY-635, NIM-811) sind derzeit in der Entwicklung und
gelten als aussichtsreich für eine zukünftige Kombinationstherapie ohne
Peginterferon alfa (s. Tab. 1).
Zukünftige Therapie: Es wird damit gerechnet, dass noch in diesem Jahr
zehn weitere Substanzen aus den vorgestellten Wirkstoffklassen zur Behandlung
der chronischen Hepatitis C zugelassen werden. Die Zukunft der Therapie
wird in der Kombination verschiedener Wirkstoffe dieser Klassen liegen und
wahrscheinlich langfristig ohne Interferon alfa auskommen. Es ist das Ziel - wie
bei Behandlung der HIV-Infektion - die Wirkstoffe in einer einmal täglich
einzunehmenden Tablette zu kombinieren. Die Therapie wird dadurch wesentlich
einfacher und sicherer wie z.B. bei der Kombi-Tablette aus Sofosbuvir und
Lepidasvir (7).
Kosten: Sofosbuvir
(Sovaldi®) ist der erste Vertreter aus den neuen Wirkstoffklassen.
Er wurde Ende 2013 in den USA und im Januar 2014 in Europa zugelassen. Der
Preis ist mit ca. 84.000 US-$ (in den USA) für die gesamte Therapiedauer
von 12 Wochen im Vergleich zu den Herstellungskosten von ca.
100-250 US-$ enorm hoch und somit für viele Menschen in der Welt nicht
erschwinglich (2). Ca. 90% der 170-200 Mio. infizierten Patienten leben in
Ländern mit niedrigen bis mittleren Einkommen. Für den größten Teil der
Weltbevölkerung, der mit dem Hepatitis-C-Virus infiziert ist, werden also die
neuen Therapieformen nicht zur Verfügung stehen. Ein Hoffnungsschimmer für
diese Menschen könnten Generika-Firmen in Indien sein, die sich gerade darum
bemühen, Sofosbuvir herstellen zu dürfen. Diese Strategie hat schon bei den
HIV-Arzneimitteln die Preise stark reduziert (2). Ein weiteres Hindernis auf
dem Weg der weltweiten Eradikation des Hepatitis-C-Virus ist auch die hohe
Dunkelziffer dieser Infektion in den Entwicklungsländern.
Literatur
- Lauer, G.M., und Walker, B.D.: N.Engl. J. Med. 2001, 345, 41.

- AMB 2009, 43,36
. AMB 2010, 44, 68 . AMB 2011, 45,44 . AMB 2011, 45, 51.
- AMB 2012, 46,11a.

- AMB 2013, 47, 28b.
AMB 2013, 47, 59a. 
- Anonymous: Lancet2014, 383, 281.

- Sulkowski, M.S., et al.:N. Engl. J. Med. 2014, 370, 211.

- Lawitz, E., et al.(LONESTAR): Lancet 2014, 383, 515.

- Cheng, G., et al.:

- Fusco, D.N., und Chung, R.T.: J.Hepatol. 2011, 54, 1087
. Erratum: J. Hepatol. 2011, 55, 952.
- Wedemeyer, H., et al.:Hepatology 2013, 58, 524.

- Gane, E.J., et al.: J.Hepatol. 2010, 52 Suppl. 1, S16. Vgl.

- Suk-Fong Lok, A.: Clin. Liver Dis. 2013, 17,111.

- Flisiak, R., et al.: Hepatology 2008, 47,817.

- Alberti, A., et al.:J. Hepatol. 2012, 56 Suppl. 2, S553.

- Wendt, A., et al.: Clin.Pharmacol. 2014, 6, 1.

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