Die
US-amerikanischen kardiologischen Fachgesellschaften haben kürzlich auf 123
Seiten neue Richtlinien zur Behandlung des Vorhofflimmerns (VHF) publiziert
(1). Wir haben uns mit dieser Erkrankung in den letzten Jahren häufig
beschäftigt. Während früher die therapeutischen Bemühungen und die Diskussion vor
allem um die Fragen zur Rhythmisierung und Erhaltung des Sinusrhythmus kreisten
(vgl. 2), sind in den letzten zehn Jahren zunehmend die antithrombotischen
(vgl. 3) und katheterinterventionellen Therapien in den Mittelpunkt
gerückt. Im Folgenden sollen einige für die Praxis relevante Empfehlungen aus
den neuen Richtlinien besprochen werden.
Prophylaxe von
Schlaganfällen: Neu und bemerkenswert ist, dass die antithrombotische Prophylaxe
bei VHF individualisiert und die Entscheidung, welche Therapie erfolgen soll, in
der Diskussion mit dem gut informierten Patienten erfolgen soll. Das Stichwort dazu
ist „shared decision making“. Das individuell errechnete Schlaganfall- und
Blutungsrisiko unter antithrombotischer Therapie soll Grundlage der Diskussion
mit den Patienten sein und die Präferenz des aufgeklärten Patienten eine
größere Rolle spielen als bisher. Ein Automatismus, dass ab einem bestimmten Risiko-Score
eine Antikoagulation erfolgen muss, wird abgelehnt. Generell gilt auch, dass
eine einmal getroffene Entscheidung für oder gegen eine antithrombotische
Therapie nicht endgültig ist, sondern regelmäßig überprüft und mit den
Patienten besprochen werden soll (vgl. a. Tab. 1).
Das Risiko für
Thromboembolien wird für paroxysmales, persistierendes oder permanentes VHF und
für Vorhofflattern ähnlich hoch eingeschätzt (verwendete Definitionen
s. Tab. 1). Daher sind diese beiden Rhythmusstörungen auch hinsichtlich
der Entscheidung für eine antithrombotische Therapie gleich zu behandeln. Zur
Abschätzung des Risikos für Thromboembolien wird bei nicht-valvulärem VHF nun
der CHA2DS2-VASc-Score (vgl. 4; Abb. 1) dem
CHADS2-Score (vgl. 5) vorgezogen, denn er berücksichtigt mehr
Risikofaktoren und ermöglicht in den niedrigeren Risikobereichen (0-2 Punkte)
eine stärker differenzierte Therapieentscheidung. Nur bei 0 Punkten wird
keine antithrombotische Therapie vorgeschlagen, und ab 1 Punkt soll mit
den Patienten diskutiert werden. Dabei gilt: je höher der CHA2DS2-VASc-Score,
umso größer ist das jährliche Schlaganfallrisiko und umso höher der zu
erwartende Nutzen einer antithrombotischen Therapie. Diesem Nutzen ist das
Blutungsrisiko unter der Therapie mit Gerinnungshemmern gegenüberzustellen. Bei
der Abschätzung des Blutungsrisikos ist zu bedenken, dass die derzeit zur
Verfügung stehenden Scores (HAS-BLED, HEMORR2HAGES, RIETE, ATRIA) keinen hohen
prädiktiven Wert haben. Der zurzeit am häufigsten verwendete Score ist HAS-BLED
(vgl. 4). Ein Wert ≥ 3 bedeutet ein hohes Blutungsrisiko. Wenn
Patienten mit hohem Blutungsrisiko antithrombotisch behandelt werden, müssen sie
engmaschig überwacht und die Dosierung gegebenenfalls angepasst werden.
Hemmer der
Thrombozytenfunktion zur Schlaganfallprophylaxe bei VHF werden als wenig
wirksam eingeschätzt. Sie kommen allenfalls noch bei einem CHA2DS2-VASc-Score
von 1 in Frage. Auch die Kombination von ASS plus Clopidogrel wird nicht als
Alternative zu oralen Antikoagulanzien (OAK) angesehen, da sie weniger wirksam
ist, aber ähnlich häufig Blutungen verursacht.
Neu ist, dass Vitamin-K-Antagonisten
(VKA) und die neuen oralen Antikoagulanzien (NOAK: Dabigatran, Rivaroxaban,
Apixaban) als gleichwertig behandelt werden (Klasse-I-Empfehlung), wobei der
Evidenzgrad bei den VKA jedoch höher ist (A) als bei den NOAK (B). Ausnahmen
sind Patienten mit mechanischen Herzklappen und solche mit einer GFR < 15 ml/min.
bzw. einer Indikation für die Hämodialyse, denn diese wurden in den
NOAK-Studien ausgeschlossen (vgl. 6). Diese Patienten sollen daher in
erster Linie einen VKA erhalten. Dabigatran ist bei mechanischen Herzklappen kontraindiziert
(vgl. 7).
Fällt die Entscheidung
für ein NOAK, soll die Nierenfunktion vor Therapiebeginn und danach mindestens
einmal im Jahr gemessen werden und zusätzlich, wenn immer dies klinisch
erforderlich scheint. Bei Patienten mit eingeschränkter
Nierenfunktion sollte das NOAK niedriger dosiert werden, wobei ausdrücklich
darauf hingewiesen wird, dass Sicherheit und Effektivität der NOAK bei
eingeschränkter Nierenfunktion noch nicht endgültig geklärt sind (vgl. 8).
Die Bedeutung
mechanischer Systeme zum Verschluss des Vorhofsohrs zur Schlaganfallprophylaxe
(Vorhofokkluder: WATCHMAN, Amplatzer Cardiac Plug, LARIAT), beispielsweise bei
Patienten, die keine OAK erhalten können, bleibt unklar. Diese Verfahren werden
zwar erwähnt, aber keine Empfehlungen hierzu ausgesprochen.
Senkung der
Herzfrequenz: Ziel bei paroxysmalem, persistierendem oder
permanentem VHF ist eine Ruhefrequenz < 80/min. Dieses Ziel wird jedoch
nur bei jedem zweiten Patienten erreicht. Sind die Patienten asymptomatisch und
ist die linksventrikuläre Funktion normal, kann auch eine Ruhefrequenz
< 110/min akzeptiert werden. Bei Belastungsinsuffizienz sollen die
Herzfrequenz unter Belastung überprüft und gegebenenfalls die Wirkstoffe zur
Senkung der Herzfrequenz höher dosiert werden.
Die empfohlenen
Wirkstoffe zur Senkung der Herzfrequenz sind Betarezeptoren-Blocker (BB) oder
Kalziumantagonisten (KA) vom Nicht-Dihydropyridintyp (wie Verapamil,
Diltiazem). Die Wahl soll sich nach den Komorbiditäten richten. Kardioselektive
BB gelten bei COPD nicht als kontraindiziert. Digoxin senkt zwar
die Frequenz in Ruhe, unter Belastung jedoch meist nicht. Zudem gibt es Hinweise,
dass Digoxin mit erhöhter Letalität assoziiert sind. Daher ist es heute kein Wirkstoff
der ersten Wahl mehr. Digitalis wird allenfalls in Kombination mit BB oder KA
empfohlen, wenn mit diesen allein eine Senkung der Frequenz nicht erreicht
wird. Explizit wird auf die möglichen Nebenwirkungen von Digitalis und die
vielfältigen Interaktionen mit anderen Arzneimitteln hingewiesen, was die
regelmäßige Messung der Serumkonzentration erforderlich macht. Amiodaron wird
als Reservemedikament genannt, wenn die genannten Strategien versagen. Es
sollte sehr zurückhaltend und nur unter regelmäßigem klinischen Monitoring
eingesetzt werden. Es hat viele potenzielle Nebenwirkungen und Interaktionen. Über
die Langzeitanwendung bei VHF ist zu wenig bekannt. Dronedaron spielt zur
Frequenzkontrolle keine Rolle, da es die Prognose der Patienten ungünstig
beeinflusst (vgl. 9).
Katheterablation: Die
Radiofrequenz- bzw. Kryoablation bei symptomatischem paroxysmalem
Vorhofflimmern mit dem Ziel, den Sinusrhythmus zu erhalten, wird generell als
hilfreich eingeschätzt. Dieser komplexe Eingriff soll jedoch nur dann erfolgen,
wenn die Patienten Leidensdruck haben und die Symptomatik mit mindestens einem
Klasse-I- (Flecainid, Propafenon, Disopyramid) oder Klasse-III-Antiarrhythmikum
(Sotalol, Amiodaron, Dronedaron) nicht ausreichend zu bessern ist. Keine
Indikation für eine Katheterablation ist der Wunsch des Patienten, OAK nicht einnehmen
zu wollen. Die Prozedur birgt einige Gefahren, z.B. Luftembolien,
atrial-ösophageale Fisteln, Herztamponade, Phrenikusläsion, Vorhofflattern etc.
Ein primärer und anhaltender Erfolg ist nicht garantiert.
Fazit: Die
Behandlung von Patienten mit Vorhofflimmern hat sich in den letzten Jahren
gewandelt. Die neuen US-amerikanischen Leitlinien fassen die derzeit
verfügbaren medikamentösen und interventionellen Therapieoptionen zusammen. Sie
empfehlen ein sehr differenziertes Vorgehen unter Berücksichtigung von Nutzen
und Risiken sowie der Präferenz der Patienten nach eingehender Aufklärung („shared
decision making“). Automatismen, beispielsweise dass ab einem bestimmten Risiko-Score
eine orale Antikoagulation durchzuführen ist, werden abgelehnt. Das aufklärende
Gespräch zwischen Arzt und Patient bekommt insgesamt deutlich mehr Gewicht bei
der Entscheidung, welche Therapie erfolgen soll.
Literatur
- January,C.T., et al.: J. Am. Coll. Cardiol. 2014 pii: S0735-1097(14)01740-9. doi:10.1016/j.jacc.2014.03.022. Vorveröffentlicht:
(Zugriff am 14.5.2014).
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- AMB2012, 46, 17.

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