Im September wurde auf dem Jahreskongress der
Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) und gleichzeitig im N. Engl. J.
Med. (1)
die PARADIGM-HF-Studie vorgestellt, die wegen positiver Resultate vorzeitig
abgebrochen wurde. In der Studie wurde ein vom pharmazeutischen
Unternehmer (pU) Novartis entwickelter Wirkstoff bei chronischer
Herzinsuffizienz untersucht, der derzeit noch unter der Bezeichnung LCZ696
geführt wird (vgl. 2). LCZ696 ist ein Angiotensin-Rezeptor-Neprilysin-Inhibitor
(ARNI) und besteht aus dem Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker (AT-II-RB) Valsartan
und dem Neprilysin-Inhibitor Sacubitril (AHU377) im molekularen Verhältnis 1:1.
Neprilysin ist als Endopeptidase am Abbau verschiedener vasoaktiver Peptide
beteiligt und seine Inhibition resultiert in erhöhten Spiegeln von
natriuretischen Peptiden, Bradykinin und Adrenomedullin. Ein anderer dualer
Wirkstoff mit Neprilysin- plus ACE-Hemmung (Omapatrilat) hatte in früheren
Studien zu schweren Angioödemen geführt (2-4), weshalb nun ein neuer
kombinierter Wirkstoff mit dem AT-II-RB Valsartan untersucht wurde.
Studiendesign: PARADIGM-HF (1) bestand
aus drei Phasen: 1. Screening; 2. eine einfachblinde „run-in“-Phase,
in der alle Patienten probeweise zunächst Enalapril und dann LCZ696 bekamen mit
dem Ziel, „ein akzeptables UAW-Profil sicherzustellen“; 3. eine
doppelblinde Behandlungsphase mit Verum- und Vergleichsgruppe. Screening:
Die Einschlusskriterien umfassten: NYHA-Funktionsklassen II-IV; EF ≤ 40%
(später auf ≤ 35% geändert); erhöhte BNP-Spiegel; stabile
Betablocker- und ACEH- oder AT-II-RB-Dosierung in den vorausgegangenen vier
Wochen. Ausschlusskriterien waren: Hypotonie; Hyperkaliämie; Niereninsuffizienz
(eGFR < 30 ml/min pro 1,73 m2 Körperoberfläche);
Angioödem oder inakzeptable Nebenwirkungen auf ACE-Hemmer oder AT-II-RB in der
Vergangenheit. Run-in-Phase und Behandlungsphase: Geeignete Patienten
erhielten statt ihrer vorbestehenden ACE-Hemmer- oder AT-II-RB-Therapie für
zwei Wochen Enalapril (zweimal 10 mg/d) und - falls keine inakzeptablen
Nebenwirkungen auftraten - danach LCZ696 für weitere vier bis sechs Wochen (initial
zweimal 100 mg/d, dann zweimal 200 mg/d). Traten auch dabei keine
inakzeptablen Nebenwirkungen auf, erfolgte eine 1:1-Randomisierung zu Enalapril
zweimal 10 mg/d bzw. LCZ696 zweimal 200 mg/d. In den ersten vier Monaten
wurden die Patienten alle zwei bis acht Wochen evaluiert, danach alle vier
Monate. Endpunkte: Primärer kombinierter Endpunkt war kardiovaskulärer
Tod oder Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz; sekundäre Endpunkte waren
Gesamtletalität, Lebensqualität (nach Kansas City Cardiomyopathy Questionnaire
= KCCQ), Auftreten von Vorhofflimmern (VHF), Verschlechterung der Nierenfunktion.
Ergebnisse: Von 10.521 Patienten,
die die „run-in“-Phase begonnen hatten, wurden 2.079 ausgeschlossen (davon 591
bzw. 547 wegen Nebenwirkungen unter Enalapril bzw. LCZ696); die verbliebenen 8.442
(mittleres Alter 65 Jahre; 5% NYHA I, 70% NYHA II, 24%
NYHA III, < 1% NYHA IV) wurden 1:1 randomisiert (4.212
Enalapril, 4.187 LCZ696). Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug bei beiden
Gruppen 27 Monate. 17,8% der Patienten in der LCZ696- und 19,8% in der
Enalapril-Gruppe setzten die Studienmedikation ab (p = 0,02). Der
primäre kombinierte Endpunkt wurde von 914 Patienten (21,8%) in der
LCZ696- und von 1.117 (26,5%) in der Enalapril-Gruppe erreicht (Hazard Ratio =
HR: 0,80; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,73-0,87; p < 0,001;
Number needed to treat = NNT: 21); davon: Kardiovaskulärer Tod 13,3% vs. 16,5%
(HR: 0,80; CI: 0,71-0,89; p < 0,001; NNT: 32),
Hospitalisierungen 12,8% vs. 15,6% (HR: 0,79; CI: 0,71-0,89; p < 0,001).
Die Effekte zeigten sich in allen vorher definierten Subgruppen, scheinen aber
besonders ausgeprägt zu sein bei relativ gesunden und jüngeren Patienten (NYHA-Klasse I-II,
niedrige NT-proBNP-Spiegel, Alter < 65 Jahre). Bei der Gesamtletalität
lagen die Werte bei 17,0% vs. 19,8% (HR: 0,84; CI: 0,76-0,93; p < 0,001).
In der LCZ696-Gruppe war die Progredienz der Symptome im KCCQ-Score signifikant
geringer -2,99 vs. -4,63 Punkte; p = 0,001) und Verschlechterungen
der Nierenfunktion seltener (2,2% vs. 2,6%; p = 0,28) als in der
Enalapril-Gruppe. Nicht unterschiedlich war die Häufigkeit von neu
aufgetretenem VHF. Hypotension war in der LCZ696-Gruppe häufiger als in der
Enalapril-Gruppe (14,0% vs. 9,2%; p < 0,001), Kreatininerhöhung,
Hyperkaliämie und Husten waren hingegen seltener. Die insgesamt sehr geringe
Inzidenz (bis maximal 0,2%) von Angioödemen war in der LCZ696- nicht
signifikant höher als in der Enalapril-Gruppe.
Diskussion: Ein wesentlicher
Kritikpunkt an der PARADIGM-HF-Studie betrifft Art und Dosierung der Studienmedikation:
LCZ696 wurde auf zweimal 200 mg/d aufdosiert (darin enthalten: Valsartan
in der maximalen Tagesdosis von zweimal 160 mg), während Enalapril
gleichbleibend dosiert wurde (zweimal 10 mg/d; maximale Tagesdosis zweimal
20 mg). Die Autoren verteidigen ihre Entscheidung für Enalapril mit seinem
Status als Standard in der Herzinsuffizienztherapie und argumentieren, dass 20 mg
bereits eine höhere Dosis sei, als sie durchschnittlich eingenommen wird (so
auch von den Studienpatienten vor Beginn der „run-in“-Phase), und die
Häufigkeit von Nebenwirkungen sei trotz dieses Unterschieds in der Äquivalenzdosis
in der LCZ696-Gruppe niedriger (5). Die Frage, wie LCZ696 im Vergleich mit
einer identisch dosierten Valsartan-Monotherapie abgeschnitten hätte, bleibt
offen – so auch die Frage, warum die Sacubitril-Komponente nicht als
Einzelsubstanz zusätzlich zur Standardtherapie geprüft wurde. Möglicherweise
wollte man die aus früheren Studien bekannte Nebenwirkung Angioödem von Omapatrilat
(2-4) in der als Zulassungsstudie ausgerichteten PARADIGM-HF-Studie von
vornherein vermindern.
Hinsichtlich der Häufigkeit von Nebenwirkungen ist zu
bedenken, dass etwa 11% der Studienpatienten bereits in der „run-in-Periode“
wegen Nebenwirkungen ausschieden, so dass nur eine selektierte Patientengruppe
mit „guter Arzneimittelverträglichkeit“ randomisiert wurde. Dieses Design wurde
nach Angabe der Autoren gewählt, um möglichst nur diejenigen Patienten zu
untersuchen, bei denen eine Arzneimitteleinnahme auf längere Zeit gewährleistet
war, und um damit realitätsnähere Bedingungen zu schaffen. Ob eine Auswahl von
Patienten wirklich realitätsnah ist, wenn nur solche mit guter Verträglichkeit
der Studienmedikation und guter Adhärenz einbezogen werden, ist fraglich. Nebenwirkungen
(Hypotension unter LCZ696 trotz ausgewählter Patienten immerhin 14%) können
durch ein solches Design verschleiert werden. Möglicherweise bedeutsame
Bedenken kommen auch von neurologischer Seite: das Enzym Neprilysin baut nicht
nur vasoaktive Peptide ab, sondern auch Beta-Amyloid-Peptide, die zerebrale
Amyloidplaques bilden und nach tierexperimentellen Daten eine Rolle in der
Pathogenese der Alzheimer-Demenz spielen könnten (6). In PARADIGM-HF gibt es dazu
keine Daten. Der pU kündigt aber an, dass in künftigen Studien in sekundären
Endpunkten auch kognitive Funktionen berücksichtigt werden sollen. Inwieweit
eine solche, möglicherweise sich erst nach vielen Jahren klinisch
manifestierende Nebenwirkung überhaupt in Studien erfasst werden kann, ist
zweifelhaft. Hier werden wohl erst Langzeitdaten aus Registern Aufschluss
bringen.
Von vielen Kommentatoren wird aufgrund der deutlichen Senkung
der Letalität und der relativ geringen Nebenwirkungen in PARADIGM-HF mit der Marktzulassung
von LCZ696 in den USA und der EU noch im Jahre 2015 und mit Aufnahme in die
Leitlinien gerechnet. Den Studienresultaten entsprechend wird die Zielgruppe
wohl in erster Linie mäßig symptomatische, jüngere Patienten sein – möglicherweise
auch solche, die zuvor auf ACE-Hemmer eingestellt waren.
Fazit: Eine neuer dualer Wirkstoff
(LCZ696), bestehend aus dem Angiotensin-II-Rezeptor-Blocker Valsartan und dem
Neprilysin-Inhibitor Sacubitril, zeigte bei Patienten mit Herzinsuffizienz
Vorteile hinsichtlich der kardiovaskulären Letalität und der Häufigkeit von Hospitalisierungen
im Vergleich zum ACE-Hemmer Enalapril (jeweils zusätzlich zur üblichen Standardtherapie).
Auch die Verträglichkeit war besser; allerdings waren die Patienten in dieser
Hinsicht vorselektiert. Mit einer raschen Zulassung von LCZ696 auf hohem
Preisniveau ist zu rechnen. In Anbetracht offener Fragen und fehlender
(Langzeit-) Daten aus weiteren kontrollierten Studien ist Zurückhaltung
angebracht. Im Gegensatz zu den enthusiastischen Kommentaren im N. Engl. J.
Med. sehen wir auf Grund des Designs und der Ergebnisse der PARADIGM-HF-Studie noch keinen
Paradigmenwechsel hinsichtlich Wirksamkeit und Verträglichkeit der Therapie bei
Herzinsuffizienz.
Literatur
- McMurray,J.J.V., et al. (PARADIGM-HF = Prospective comparison of ARNI withACE-I to Determine Impact on Global Mortalityand morbidity in Heart Failure): N. Engl. J. Med.2014, 371, 993.

- Ruilope,L.M., et al.: Lancet 2010, 375, 1255
.AMB 2010, 44, 53b. 
- Rouleau,J.L., et al. (IMPRESS = Inhibition of MetalloProtease byomapatrilat in a Randomized Exercise and Symptom Study):Lancet 2000, 356, 615
. AMB 2000, 34,76a. 
- Packer, M.,et al. (OVERTURE = Omapatrilat Versus Enalapril RandomizedTrial of Utility in Reducing Events): Circulation2002, 106, 920.

- http://www.cardioexchange.org/voices/perspectives-on-paradigm-hf/
- Madani, R., et al.: J. Neurosc. Res. 2006, 84, 1621.

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