Zusammenfassung:
Die sorgfältige Substitution einer bekannten Hypothyreose mit Thyroxin ist vor
und während einer Schwangerschaft wichtig für eine normale Entwicklung des
Embryos und Fetus. Bei primärer Hypothyreose soll der TSH-Wert im
1. Trimenon auf < 2,5 mU/l, in den späteren Monaten auf
< 3,0 mU/l eingestellt werden. Auf die Einnahme-Adhärenz ist zu
achten. Unter subklinischer Hypothyreose (SKH) versteht man ein mäßig erhöhtes
TSH bei normaler Konzentration des freien Thyroxins im Serum. Schlüssige
Interventionsstudien zur Substitutionstherapie bei SKH vor und während der
Schwangerschaft liegen noch nicht vor. Ein generelles Screening der
Schilddrüsenwerte wird bei Planung einer Schwangerschaft nicht empfohlen. Bei Risikofaktoren
für eine Hypothyreose und auf besonderen Wunsch der Frau vor oder während der
Schwangerschaft sollte TSH gemessen und bei auffälligem Wert ein(e)
Endokrinologe(in) konsultiert werden. Alle Schwangeren sollten zusätzlich zur
Nahrung täglich 150-200 µg Jodid einnehmen.
Einleitung und
Definitionen: In der Schwangerschaft sezerniert die gesunde Schilddrüse
(SD) 30-50% mehr Schilddrüsenhormon (SH) als zuvor und danach. In den ersten
Wochen ist der Embryo auf eine Versorgung mit SH durch die Mutter angewiesen.
Bei manifester und unsubstituierter Hypothyreose der Mutter kommt es beim Feten
oft zu Entwicklungsstörungen des Gehirns.
Eine manifeste
primäre Hypothyreose (häufigste Ursachen: Autoimmun-Thyreoiditis, Zustand
nach Schilddrüsen-Operationen) wird definiert als erniedrigte Konzentration von
freiem Thyroxin (fT4) bei erhöhter Konzentration von thyreotropem Hormon (TSH)
im Serum/Plasma. Das freie Trijodthyronin (fT3), das eigentlich wirksame SH,
wird überwiegend durch periphere Konversion von T4 zu T3 gebildet und fällt bei
Hypothyreose später ab als T4, weil in diesem Zustand die Konversion von T4 zu
T3 zunimmt.
Unter subklinischer
Hypothyreose versteht man einen Zustand, bei dem die Mutter noch keine
Symptome hat, das fT4 noch im Normbereich, TSH jedoch über (unterschiedlich
festgelegte) Obergrenzen der Norm erhöht ist. Im BMJ ist kürzlich ein „State of
the Art Review“ zum Thema Hypothyreose in der Schwangerschaft erschienen. In
ihm werden neuere Richtlinien zur Therapie der Hypothyreose und zur Definition
der subklinischen Hypothyreose zusammengefasst (1).
Bei der sekundären
Hypothyreose (verursacht durch Erkrankungen der Hypophyse) ist nur die
Messung von fT4 von diagnostischem Wert, da die verminderte Sekretion von TSH
die Ursache dieses Zustands ist und TSH nicht adäquat auf den Abfall von SH im
Serum reagieren kann. Sekundäre Hypothyreosen sind bei Schwangeren sehr selten.
Substitution von T4
in der Schwangerschaft bei bereits zuvor bekannter Hypothyreose: Die Richtlinien
hierzu sind relativ klar. Im Durchschnitt muss bei den meisten Schwangeren mit
Hypothyreose die tägliche T4-Dosis um ca. 30% über die Dosis vor der
Schwangerschaft erhöht werden (vgl. 2). T4 ist immer morgens nüchtern mit
mindestens 30 Minuten Abstand zur ersten Nahrungsaufnahme einzunehmen (vgl. 3;
alternativ spätabends nüchtern). Die amerikanische Thyroid Association (ATA)
und die Endocrine Society empfehlen bei primärer Hypothyreose, dass der TSH-Wert
im 1. Trimenon < 2,5 mU/l und im 2. und 3. Trimenon
< 3,0 mU/l sein soll. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es nach
einer Dosiserhöhung von T4 etwa 2-3 Wochen dauert bis sich ein neuer
halbwegs konstanter fT4- und TSH-Wert eingestellt hat. Ist das TSH bei einer
Frau, die eine Schwangerschaft plant, bereits relativ hoch, dann ist es
sinnvoll, die tägliche T4-Dosis sogleich um ca. 30% zu erhöhen. Da TSH-Werte in
der gleichen Blutprobe von Labor zu Labor unterschiedlich sein können,
empfehlen die Fachgesellschaften, auch den „Normbereich“ des jeweiligen Labors
zu berücksichtigen. Eine leichte Überdosierung von T4 hat keine gravierenden
Folgen für den Fetus. Im Lauf der Schwangerschaft sollen TSH und fT4 alle
4-8 Wochen erneut gemessen und die T4-Dosis ggf. angepasst werden.
TSH-Werte < 0,5 mU/l unter Substitution sind zu vermeiden. TSH im
Blut hat einen Tagesrhythmus und sollte möglichst morgens gemessen werden.
In der
Schwangerschaft ist auch der tägliche Bedarf an Jodid erhöht (vgl. 4):
Einige Wochen nach Beginn der Schwangerschaft benötigt der Embryo/Fetus selbst
Jodid, das er diaplazentar zugeführt bekommt. Außerdem nimmt in der Schwangerschaft
das renale Glomerulusfiltrat zu, wodurch mehr Jodid verloren geht. Generell ist
zu empfehlen, dass alle Schwangeren, auch solche mit erhöhten Thyroxin-Peroxidase-Antikörpern
(s.u.), täglich 150-200 µg Jodid zusammen mit Folsäure (diese zur
Prophylaxe von Fehlbildungen des Neuralrohrs; vgl. 5) zusätzlich zu sich
nehmen. Hierfür gibt es Kombinationstabletten.
Was ist eine
subklinische oder latente Hypothyreose? Vor 2011 wurde in den ATA-Richtlinien ein
TSH-Wert um 4-6 mU/l als Obergrenze der Norm bei jüngeren Frauen betrachtet
(6). In den neuen Richtlinien wurde diese Obergrenze auf 2,5 mU/l
reduziert. Legt man einen TSH-Wert > 2,5-2,75 mU/l zugrunde, haben
in den USA und in anderen Ländern nach den Ergebnissen verschiedener Studien zwischen
3% und 15% junger Frauen eine „subklinische Hypothyreose“ (SKH; 1). Negro
et al. (1) listeten 16 Studien (zwischen 1993 und 2013) auf, in denen
unerwünschte Ereignisse bei Schwangeren mit SKH im Vergleich mit euthyreoten
Schwangeren untersucht wurden. Die zugrunde gelegten Obergrenzen des TSH-Werts
waren unterschiedlich. Folgende Ereignisse wurden untersucht: Fehlgeburten, pränataler
Kindstod, vorzeitige Wehen/Entbindung, Gestationsdiabetes, Eklampsie, Abruptio
placentae und niedriges Geburtsgewicht. Insgesamt sind die Ergebnisse heterogen
und sogar widersprüchlich.
In einer dieser prospektiven
US-Studien aus dem Jahr 2005 bei 404 Schwangeren im 2. Trimenon und
einer SKH-Definition als TSH > 2,74 mU/l wurden im Vergleich mit euthyreoten
Schwangeren nur etwas häufiger Frühgeburten registriert. Alle anderen
untersuchten Ereignisse in der Schwangerschaft waren nicht unterschiedlich (7).
Zwei neuere
prospektive Studien aus den Niederlanden (8, 9) fanden bei TSH-Werten im
1. Trimenon > 2,5 mU/l keine erhöhten Risiken für ungünstige
Schwangerschaftsverläufe (8), jedoch bei TSH-Werten > 4 mU/l etwas
häufiger Frühgeburten, ohne dass andere ungünstige Ereignisse häufiger
eintraten (9). Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass zur Definition der SKH
eine noch normale fT4-Konzentration im Serum gehört.
Das Thema SKH
beschäftigt nicht nur die Fachwelt, sondern wegen der o.a. Unsicherheitsfaktoren
auch Frauen, die schwanger werden wollen. Schlüssige Interventionsstudien
(T4-Substitution versus Nicht-Substitution bei Schwangeren mit SKH und einer
TSH-Grenze von 2,5 mU/l) gibt es noch nicht. Dementsprechend empfehlen ATA
und Endocrine Society bisher auch noch kein generelles TSH/T4-Screening von
Frauen, die schwanger werden wollen.
Die häufigste Schilddrüsenerkrankung
bei Frauen ist die Hashimoto-Thyreoiditis, die sehr unterschiedlich
verlaufen kann. Charakteristisch ist der Nachweis von Thyroxin-Peroxydase-Antikörpern
(TPO-AK) im Serum. Im Sonogramm ist die SD oft fleckig oder durchgehend
hyporeflexiv. Bei einigen Frauen tritt früh eine manifeste Hypothyreose auf,
bei anderen bleibt es oft über viele Jahre bei den erhöhten TPO-AK. Der
Nachweis von TPO-AK ist ein deutlicher Risikofaktor für die Entwicklung einer
manifesten oder subklinischen Hypothyreose. Aus diesem Grund empfehlen alle
Fachgesellschaften bei Frauen mit erhöhten TPO-AK die Messung von TSH
mindestens einmal im Jahr.
Bei Frauen mit
bekannt erhöhten TPO-AK oder mit anderen Risikofaktoren für Hypothyreose (z.B. nach
Teilresektion der SD), die eine Schwangerschaft planen, sollten TSH und fT4 vor
Eintritt und auch während der Schwangerschaft mehrmals gemessen werden. Bei
gesunden Frauen, die vor oder während einer Schwangerschaft die Beurteilung
ihrer SD-Funktion wünschen, sollte zunächst TSH gemessen werden. Bei erhöhten
Werten sollte ein(e) Endokrinologe(in) die Frau genauer untersuchen und
hinsichtlich T4-Substitution beraten.
Im frühen 1. Trimenon
findet sich manchmal überraschend ein sehr niedriger TSH-Wert bei normaler oder
leicht erhöhter fT4-Konzentration. Die Ursache hierfür ist meist eine Stimulation
der gesunden SD durch HCG (Human Chorionic Gonadotropin), ein Produkt des
früh-schwangeren Uterus, das das corpus luteum graviditatis im Eierstock der
Frau stimuliert, bevor später der Uterus selbst Progesteron sezerniert. HCG ist
strukturell eng verwandt mit TSH und kann bei hohen Konzentrationen die
TSH-Rezeptoren der SD stimulieren. Als Reaktion auf den ansteigenden fT4-Wert
fällt das hypophysäre TSH ab. Dieser Zustand ist von einer „wahren“ autoimmunen
Hyperthyreose (M. Basedow) leicht zu unterscheiden, da beim M. Basedow die
TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) erhöht sind. Das Neuauftreten eines M. Basedow
in der Schwangerschaft ist aber selten, da in der Schwangerschaft die Autoimmunität
eher supprimiert wird.
Eine sehr
ausführliche Übersicht über die Behandlung mit Schilddrüsenhormon allgemein
wurde kürzlich in Endocrine Reviews veröffentlicht (10).
Literatur
- Negro, R.,und Stagnaro-Green, A.: BMJ 2014, 349, g4929.

- AMB 2004, 38,59.

- AMB 2001, 35,65.

- AMB 2000, 34,05.

- AMB 2004, 38,29a
. AMB 2007, 41, 62. 
- Allen, W.C., et al.: J.Med. Screen. 2000, 7, 127.

- Casey, B.M.,et al.: Obstet. Gynecol. 2005, 105, 239.

- Kuppens,S.M., et al.: Clin. Endocrinol. 2010, 72, 820.

- Korevaar,T.I., et al.: J. Clin. Endocrinol. Metab. 2013, 98, 4382.

- Biondi, B., und Wartofsky, L.: Endocr. Rev. 2014, 35,433.

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