Zusammenfassung: Empagliflozin ist der erste SGLT-2-Hemmer und
nach Metformin das erste orale Antidiabetikum, von dem in einer Studie
nachgewiesen wurde, dass es die Sterblichkeit von Patienten mit Typ-2-Diabetes
und kardiovaskulärer Komorbidität (Hochrisiko-Subgruppe!) signifikant senkt.
Zweifel sind derzeit jedoch angebracht, weil solche günstigen klinischen
Effekte mit anderen SGLT-2-Hemmern nicht nachgewiesen werden konnten. Außerdem
fehlen Daten zur Langzeitsicherheit. Unter Empagliflozin
traten in der EMPA-REG OUTCOME-Studie etwa viermal häufiger genitale
Infektionen und Urosepsen auf als unter Plazebo, und die Langzeiteffekte auf
die Nierenfunktion und den Knochenstoffwechsel sind nicht klar. Patienten
müssen bei Verordnung dieses neuen antidiabetischen Wirkstoffs über die
mangelnde klinische Erfahrung aufgeklärt und Nebenwirkungen unbedingt gemeldet
werden.
Empagliflozin (Jardiance®) ist wie
Dapagliflozin (1, 2) und Canagliflozin ein Hemmer des
Natrium(Sodium)-Glukose-Transporters 2 (SGLT-2). Diese Wirkstoffe hemmen in den
proximalen Nierentubuli selektiv und reversibel die Rückresorption von Glukose,
bewirken dadurch eine Glukosurie und senken konsekutiv den Blutzucker. Das
Ausmaß der Glukosurie ist von der Höhe des Blutzuckers und von der glomerulären
Filtrationsrate abhängig, also von der filtrierten Glukosemenge. Bei starker
Glukosurie werden auch mehr Wasser und Natrium ausgeschieden (osmotische
Diurese), so dass Dehydratation, Elektrolytverschiebungen und Senkung des Blutdrucks
als mögliche Nebenwirkungen zu beachten sind. In den Zulassungsstudien sind,
bedingt durch die verstärkte Glukosurie, häufiger Harnwegs- und Genitalinfektionen,
Dehydratation und Verschlechterung der Nierenfunktion aufgefallen. Außerdem
gibt es Risikosignale, dass möglicherweise vermehrt Tumore und Knochenbrüche
auftreten. Empagliflozin ist für Erwachsene mit Typ-2-Diabetes mellitus in der
Mono- und Kombinationstherapie zugelassen. Ein Zusatznutzen der teuren SGLT-2-Hemmer
gegenüber der Standard-Therapie ist nicht belegt (3), denn es gab bisher keinen
Nachweis für einen relevanten günstigen Einfluss auf „harte“ klinische
Endpunkte (2). Dies scheint nun bei Empagliflozin erstaunlicherweise anders
zu sein. In der sog. EMPA-REG OUTCOME-Studie wurde erstmals ein verlängernder
Effekt auf das Überleben von Typ-2-Diabetikern nachgewiesen (4).
EMPA-REG OUTCOME ist eine randomisierte, plazebokontrollierte
Doppelblindstudie, in der Empagliflozin in zwei Dosierungen (einmal 10 mg
oder einmal 25 mg/d) gegen Plazebo vor dem Hintergrund einer
Standard-Therapie bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und manifesten
kardiovaskulären Erkrankungen untersucht wurde. Die Studie wurde von Boehringer
Ingelheim und Eli Lilly initiiert, finanziert und in allen Abschnitten bis hin
zur Publikation aktiv begleitet.
Insgesamt wurden in den Jahren 2010-2013 an 590 Zentren
in 42 Ländern 7.028 Patienten randomisiert (61,1% der Gescreenten). Alle
Patienten hatten Diabetes mellitus Typ 2 (57% mit > 10 Jahre
Krankheitsdauer) und eine manifeste kardiovaskuläre Erkrankung (75% KHK, 23%
Schlaganfallanamnese, 21% manifeste pAVK). Der BMI durfte maximal 45 und die
eGFR minimal 30 ml/min betragen. Nach der Randomisierung und einer zweiwöchigen
Run-in-Phase mit Plazebo-Tabletten und der gewohnten Basistherapie erhielten
die Patienten in einem 1:1:1-Verhältnis 10 mg/d oder 25 mg/d
Empagliflozin oder Plazebo. Die antidiabetische Basistherapie durfte in den
ersten drei Monaten nur dann verändert werden, wenn ein Nüchtern-Blutzucker
> 240 mg/dl (> 13,3 mmol/l) gemessen wurde. Ansonsten
waren die behandelnden Ärzte frei, die medikamentöse Basistherapie den lokalen
Richtlinien anzupassen. Die Behandlung von erhöhtem Blutdruck und erhöhten Blutfetten
war freigestellt.
Der primäre Endpunkt von EMPA REG OUTCOME war zusammengesetzt aus
kardiovaskulärem Tod, nicht-tödlichem Myokardinfarkt und nicht-tödlichem
Schlaganfall. Sicherheitsendpunkte waren alle unerwünschten Ereignisse (UAE)
während der Behandlung, speziell Hypoglykämien, Harnwegs- und Genitalinfekte,
akutes Nierenversagen, Knochenbrüche und Thromboembolien. Nach der primären
Studienhypothese sollte Empagliflozin gegenüber Plazebo als Zusatzmedikation nicht
unterlegen sein (hierfür wurde die Fallzahl berechnet); in weiteren Analysen
sollte aber auch auf Überlegenheit getestet werden. Um eine Nichtunterlegenheit
mit einem einseitigen p-Wert von 0,024 nachzuweisen, waren 691 klinische
Ereignisse erforderlich. Für dieses Ziel wurden gut 7.000 Patienten
angestrebt. Am Ende wurden 772 Ereignisse während einer medianen Laufzeit
der Studie von 3,1 Jahren und einer medianen Behandlungszeit von 2,6 Jahren
registriert.
Ergebnisse: Die Charakteristika der Patienten waren in
den drei Gruppen etwa gleich: mittleres Alter 63 Jahre, 71% Männer,
41% Europäer, mittlerer BMI 30, mittleres HbA1c 8% (29% mit
antidiabetischer Monotherapie, 48% mit dualer Therapie, 22% mit > 2 Antidiabetika;
74% erhielten Metformin, 43% Sulfonylharnstoffe, 48% Insulin und 11%
DPP4-Inhibitoren). 95% der Patienten wurden mit Antihypertensiva, 80% mit
Statinen und 88% mit Gerinnungshemmern (v.a. ASS) behandelt (Werte gerundet).
97% der Patienten beendeten die Studie. Ein Viertel setzte die
Studienmedikation vorzeitig ab (29,3% in der Plazebo-Gruppe, 23,4% in den
Verum-Gruppen). Nach „Intention-to-treat“-Auswertung wurde der primäre Endpunkt
in den beiden Empagliflozin-Gruppen signifikant seltener erreicht als in der
Plazebo-Gruppe: 10,5% vs. 12,1%; Hazard Ratio = HR: 0,86; 95%-Konfidenzintervall
= CI: 0,74-0,99; p < 0,001 für Nicht-Unterlegenheit und p = 0,04
für Überlegenheit. Der Unterschied zwischen den beiden Gruppen zeigte sich schon
früh während der Studie und persistierte in der weiteren Beobachtung.
Der Unterschied zwischen Empagliflozin und Plazebo geht auf
ein signifikant niedrigeres Sterberisiko zurück: kardiovaskulärer Tod: Plazebo
137 von 2.333 (5,9%) vs. 10 mg/d Empagliflozin 90 von 2.345 (3,8%) vs. 25 mg/d
Empagliflozin 82 von 2.342 (3,5%); hieraus errechnet sich eine HR von
Empagliflozin (gepoolt) vs. Plazebo von 0,62 (CI: 0,49-0,77). Die HR für Tod
insgesamt (alle Ursachen) betrug 0,68 (5,7% vs. 8,3%). Ein Zufall erscheint bei
diesen Unterschieden sehr unwahrscheinlich, und ein Bias ist aus den
publizierten Daten nicht erkennbar.
Die Unterschiede in der Häufigkeit koronarer Ereignisse
waren dagegen nicht signifikant unterschiedlich: Myokardinfarkte ereigneten
sich bei 4,8% der Patienten mit Empagliflozin und bei 5,4% mit Plazebo und
koronare Revaskularisationen wurden bei 7% bzw. 8% der Patienten vorgenommen.
Bei den Schlaganfällen gab es tendenziell etwas mehr Ereignisse mit
Empagliflozin (3,5% bzw. 3,0%). Ein Dosiseffekt war nicht erkennbar: beide
Empagliflozin-Dosierungen führten zu einer etwa gleichstarken Senkung der
Risiken.
Insgesamt waren die Effekte von Empagliflozin auch in allen
Subgruppen ähnlich. Bei jüngeren Patienten (< 65 Jahre), sehr
Adipösen (BMI > 30) und Patienten mit hohen HbA1c-Werten scheint der
Nutzen von Empagliflozin jedoch weniger ausgeprägt zu sein.
Die HbA1c-Werte waren nach drei Monaten mit Empagliflozin
absolut um 0,54%-Punkte (10 mg/d) bzw. 0,6%-Punkte (25 mg/d) niedriger
als mit Plazebo. Interessanterweise näherten sich die HbA1c-Werte im
Studienverlauf aber wieder dem Plazeboniveau an. Am Ende betrug das HbA1c mit
Empagliflozin 7,81% und mit Plazebo 8,16%. In der Plazebo-Gruppe nahmen am Ende
mehr Patienten zusätzliche Antidiabetika ein als in den Empagliflozin-Gruppen
(31,5% vs. 19,5%).
Die Patienten in den Empagliflozin-Gruppen hatten am Ende etwas
mehr Gewicht (ca. 1 kg) und Bauchumfang (ca.1 cm) verloren.
Besonders auffällig war eine Senkung der Harnsäure (-0,4 mg/dl). Außerdem
fiel noch ein deutlich höherer Hämatokrit mit Empagliflozin auf (Anstieg im
Mittel von 4,8-5,0%-Punkten, in der Plazebogruppe von 0,9%-Punkten), was wohl
den diuretischen Wirkmechanismus widerspiegelt.
Auch die systolischen und diastolischen Blutdruckwerte
sanken mit Empagliflozin stärker als mit Plazebo. LDL- und HDL-Cholesterinwerte
stiegen dagegen vergleichsweise an. Die mit Plazebo Behandelten nahmen am Ende
mehr Antihypertensiva und Antikoagulanzien ein als die mit Verum Behandelten.
Bei den Lipidsenkern wurde kein Unterschied gefunden.
Zur Verträglichkeit von Empagliflozin: Die Zahl der berichteten
UAE war insgesamt gleich (Empagliflozin: 90,2% vs. Plazebo: 91,7%). Ähnlich war
die Häufigkeit von: Hypoglykämien (27,8% vs. 27,9%), Hypovolämien (5,1% vs.
4,9%), akutem Nierenversagen (5,2% vs. 6,6%), diabetischer Ketoazidose (0,1% in
beiden Gruppen), Thromboembolien (0,6% vs. 0,9%) und Frakturen (3,8% vs. 3,9%)
war ähnlich. Harnwegsinfektionen wurden insgesamt etwa gleich häufig
diagnostiziert (bei Männern: 10,5% vs. 9,4%, bei Frauen 36,4% vs. 40,6%),
genitale Infektionen jedoch deutlich häufiger mit Empagliflozin (bei Männern: 5%
vs. 1,5% und bei Frauen 10% vs. 2,6%). Urosepsien waren mit Empagliflozin viermal
häufiger als mit Plazebo: 0,4% vs. 0,1%.
Wie Empagliflozin die Letalität senkt, wird aus der Studie
nicht klar. Es gibt keine Dosis-Wirkungs-Beziehung, und es scheint auch kein Klasseneffekt zu
bestehen, da Studien mit anderen SLGT2-Hemmern zwar auch Senkungen des Gewichts
und des Blutdrucks fanden, jedoch keine signifikante Besserung „harter“
Endpunkte (5). Zu klären bleibt auch, ob der primäre Endpunkt – in Kenntnis der
entblindeten Daten – nachträglich geändert wurde (d.h Ausschluss stummer
Myokardinfarkte als Bestandteil des primären Endpunkts; vgl. 6). Außerdem
bleiben die Ergebnisse weiterer Endpunktstudien, z.B. mit Canagliflozin
(CANVAS) und Dapagliflozin (DECLARE-TIMI 58), abzuwarten.
Die SGLT-2-Hemmer Dapagliflozin (2012), Canagliflozin (2013)
und Empagliflozin (2014) wurden von
der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) auf Grund ihrer Wirkung auf Surrogatparameter
(Blutzuckerwerte, Gewicht, Blutdruck) zugelassen. Sie stehen unter einem sog.
„additional monitoring“, was an dem auf dem Kopf stehenden schwarzen Dreieck auf
der Packung zu erkennen ist (vgl. 7). Das bedeutet, dass die Anwender von
der EMA besonders aufgerufen werden, Nebenwirkungen im Zusammenhang mit diesen
Arzneimitteln zu melden und dass bestimmte Studien, die im jeweiligen „risk
management plan“ aufgeführt sind, von den Herstellern noch beendet werden
müssen.
Literatur
- AMB2010, 44, 65.

- AMB2013, 47, 52.

- AMB2014, 48, 96.

- Zinman,B., et al. (EMPA-REG OUTCOME):

- McCulloch, D.K.,et al.: UpTodate (Zugriff 8.11.2015).
- a-t 2015, 46,95.
- AMB2013, 47, 24.

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