Salmonella
enterica subspecies
enterica
serovar typhi (S. typhi) ist der Haupterreger von enterischem
Fieber. Weltweit sind nach Schätzungen 12,5-20,6 Mio.
Menschen jährlich betroffen, besonders in Regionen mit
schlechten hygienischen Verhältnissen und ungenügender
Versorgung mit sauberem Wasser (1-2). Die meisten Fälle sind aus
Südasien und Sub-Sahara-Afrika bekannt. Kinder sind besonders
anfällig (3). Die Letalität wird auf 1% geschätzt (4).
In Nepal sind etwa 15% aller Kinder, die während der Regenzeit
ärztliche Hilfe wegen Fieber suchen, von dieser Erkrankung
betroffen (5). Inadäquate Antibiotikaverschreibungen haben in
diesen Regionen zu einer Zunahme von bakteriellen Resistenzen von S.
typhi geführt, z.B. gegen Co-trimoxazol, Ampicillin,
Chloramphenicol und Fluorochinolone. Beunruhigend ist auch, dass sich
schwer zu behandelnde ESBL (extended-spectrum
Beta-Lactamase-produzierende) -Stämme bereits ausgebreitet haben
(6-8). Auch wenn sich in Europa und Nordamerika im Verlauf des
letzten Jahrhunderts gezeigt hat, dass diese Infektion durch strikte
Trennung von Ab- und Trinkwasser deutlich reduziert werden konnte,
sind viele kriegsgeplagte und ärmere Länder derzeit dazu
nicht in der Lage, und es wird noch Jahrzehnte dauern, bis dieses
Ziel auch in diesen Regionen erreicht wird (9).
Daher
sind Impfungen eine Möglichkeit, die Krankheitslast in diesen
Ländern zu reduzieren. Allerdings sind die zurzeit zugelassenen
Impfstoffe entweder in früher Kindheit nicht ausreichend
immunogen (parenteraler Vi-Kapselpolysaccharid-Impfstoff = Vi-PS)
oder bei Kindern unter 5 Jahren praktisch nicht anwendbar, weil
die Kapseln (oraler Lebendimpfstoff basierend auf abgeschwächtem
Stamm Ty21a) zu groß sind und von Kleinkindern nicht geschluckt
werden können (10). Durch die Entwicklung von
Konjugatimpfstoffen konnte die Immunogenität des
Polysaccharidimpfstoffs verstärkt werden, was zu einer
Verbesserung der Situation bei Kleinkindern führen könnte
(11-15). Groß angelegte Impfstudien gegen Typhus sind durch die
WHO geplant und sollen in naher Zukunft auf den Weg gebracht werden.
Ergebnisse sind aber erst in einigen Jahren zu erwarten (10).
Die
Effektivität eines Impfstoffs kann aber auch schneller und zwar
in einem Infektionsmodell am Menschen getestet werden (16), wie es
bereits beim zugelassenen Choleraimpfstoff durchgeführt wurde
(18). Ergebnisse einer solchen Testung des Konjugatimpfstoffs gegen
Typhus wurden jetzt publiziert (10).
Methodik:
Diese kontrollierte Phase-IIb-Studie (10) wurde im Centre
for Clinical Vaccinology and Tropical Medicine in Oxford (UK) an
103 freiwilligen Erwachsenen (Alter 18-60 Jahre) durchgeführt.
Die Probanden durften keine Typhuserkrankung durchgemacht haben, was
sowohl anamnestisch wie serologisch evaluiert wurde. Die Patienten
wurden 1:1:1 randomisiert. Eine Gruppe erhielt eine Dosis des
Typhus-Konjugatimpfstoffs parenteral (als Träger wurde
Tetanustoxoid verwendet = Vi-TT), die zweite erhielt parenteral den
Typhus-Polysaccharidimpfstoff (Vi-PS) und die dritte zur Kontrolle
einen Meningokokkenimpfstoff. Die Untersucher und Teilnehmer waren
verblindet, das Schwesternteam, das die Impfstoffe verabreichte,
jedoch nicht. Nach der Impfung führten die Probanden für
7 Tage ein Tagebuch, um lokale und systemische Nebenwirkungen zu
erfassen. Darüber hinaus wurden sie am Tag 1, 3, 7 und 10
in der Klinik hinsichtlich unerwünschter Ereignisse untersucht.
Einen
Monat nach der Impfung erfolgte die perorale Infektion (challenge)
mit 1-5 x 104
Kolonie-formenden
Einheiten des Typhusstammes S. typhi Quailes, eines Stammes, der
bei einem chronischen Träger in Baltimore, USA, isoliert wurde.
Direkt vor dem Trinken der S. typhi enthaltenden Flüssigkeit,
tranken die Probanden 120 ml einer Natriumbicarbonat-Lösung,
um die antibakteriell wirksame Magensäure zu neutralisieren.
Nach der Infektion wurden die Probanden täglich (für zwei
Wochen) in die Klinik einbestellt zur Kontrolle klinischer Parameter
und zur Abnahme von Blutkulturen. In dieser Zeit führten die
Probanden zusätzlich ein Tagebuch, in das sie die täglich
zweimal gemessene Körpertemperatur eintrugen. Der primäre
Endpunkt war der Prozentsatz der Probanden mit der Diagnose Typhus
(attack rate). Die Diagnose Typhus wurde anhand von vordefinierten
Kriterien gestellt: positive Blutkultur mit dem Infektionsstamm mehr
als 72 h nach der Infektion oder Fieber (≥ 38°C) für
≥ 12 h. Den Probanden war es nicht erlaubt,
fiebersenkende Mittel anzuwenden.
Patienten
mit Infektion wurden über 2 Wochen mit Antibiotika
behandelt (entweder Ciprofloxacin zweimal täglich 500 mg
oder Azithromycin einmal täglich 500 mg) und zusätzlich
noch fünfmal von den Ärzten gesehen, um den Erfolg der
Therapie zu überprüfen. Probanden, die nicht die Kriterien
für Typhus erfüllten, wurden nach einer 14-tägigen
Beobachtungszeit nach der Infektion ebenfalls antibiotisch behandelt.
Ergebnisse:
Zwischen August 2015 und November 2016 wurden 112 Probanden
rekrutiert und randomisiert, von denen schließlich 103 an der
Inokulation des Erregers teilnahmen. In der Kontrollgruppe
entwickelten 24 der 31 (77%) Probanden Typhus gegenüber 13 der
37 (35%) in der Gruppe mit Vi-TT-Impfung und 13 der 35 (35%) in der
Gruppe mit dem Vi-PS-Impfung. Dies ergibt eine Impfeffektivität
von 54,6% (95%-Konfidenzintervall: 26,8-71,8) für den
Vi-TT-Impfstoff und 52,0% (23,2-70,0) für den Vi-PS-Impfstoff.
Zur Serokonversion kam es bei 100% der Probanden in der Vi-TT-Gruppe
und bei 88,6% in der Vi-PS-Gruppe. Es traten vier schwere
unerwünschte Ereignisse auf, die aber alle nicht auf die Impfung
oder die Infektion zurückzuführen waren (eine in der
Vi-TT-Gruppe und drei in der Vi-PS-Gruppe).
Die
wichtigsten Schlussfolgerungen aus dieser Studie werden in einem
begleitenden Kommentar hervorgehoben (17). Der am weitesten
entwickelte Typhus-Konjugatimpfstoff ist der hier von der
Vaccine-Gruppe der Oxford University getestete Impfstoff, der von
einer indischen Biotechfirma (Bharat Biotech) produziert wird. Zwar
wurde die Immunogenität
des Impfstoffs schon bei Kleinkindern gezeigt, aber nicht, dass er
auch tatsächlich vor Erkrankung
schützt. Diese Lücke wurde nun durch diese Studie
geschlossen. Die WHO sollte zusammen mit UN-Agenturen diesen
Impfstoff in betroffenen Regionen kostengünstig bereitstellen.
Kontrollierte
Prüfungen zur Wirksamkeit von Impfstoffen am Menschen, bei denen
freiwillige Studienteilnehmer artefiziell infiziert werden
(„challenge“), werfen eine Reihe ethischer Fragen und
Probleme auf (vgl. 16.). Solche Studien sind aber bereits von
Ethikkommissionen zugelassen worden – wie erwähnt zur
Prüfung eines Impfstoffs gegen Cholera (18). Auch die hier
beschriebene Testung des Typhusimpfstoffs hat zur Genehmigung dem
South Central Oxford A Ethics Committee (14/SC/1427) vorgelegen, und
sie war außerdem der Zulassungsbehörde für
Arzneimittel und Medizinprodukte in Großbritannien (Medicines
and Healthcare Products Regulatory Agency) als klinische Studie für
eine pädiatrische Indikation gemeldet worden (Eudract
2014-002978-36; 19).
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