Östrogene
begünstigen die Entstehung von Brustkrebs. Die Rolle von
Progesteron und synthetischen Gestagenen ist weniger klar, jedoch
können sie in vielfältiger Weise Einfluss nehmen auf die
lokale Synthese oder die Freisetzung von Östrogenen in der
Brustdrüse (1). Seit etwa sechs Jahrzehnten stehen hormonale
Kontrazeptiva (HK) zur Verfügung und viele Millionen Frauen
benutzen sie weltweit, am häufigsten kombinierte orale (KOK) mit
dem schwer metabolisierbaren Östrogen Ethinylestradiol (EE) in
Kombination mit verschiedenen synthetischen Gestagenen. Bei jungen
Frauen ist invasiver Brustkrebs eine seltene Erkrankung, aber schon
nach dem 40. Lebensjahr nimmt die Inzidenz deutlich zu und steigt
nach der Menopause weiter an. Bereits in den 1960er bis 1980er Jahren
fiel eine leicht erhöhte Inzidenz von Brustkrebs (um ca. 20%)
bei Frauen auf, die aktuell HK einnahmen oder bis kurz zuvor
eingenommen hatten (2). Während KOK vor 50 Jahren noch
Tagesdosen von ≥ 50 µg EE oder Mestranol
enthielten, beträgt der EE-Gehalt seit einigen Jahrzehnten nur
noch 20-35 µg pro „Pille“. Es war zu hoffen,
dass dadurch das Risiko für Brustkrebs und andere Nebenwirkungen
abnehmen würde. Auch die Dosierung der zum Teil neuen Gestagene
in derzeit erhältlichen KOK ist geringer.
Vor diesem Hintergrund
ist eine aktuell im N. Engl. J. Med. publizierte Kohortenstudie aus
Dänemark von großem Interesse (3). Wie mehrfach berichtet,
werden dort Gesundheitsdaten fast der gesamten Bevölkerung in
miteinander verlinkten Datenbanken erfasst. Die „Danish Sex
Hormone Register Study“ verfolgt den Einfluss von
Hormontherapien auf das Risiko von kardiovaskulären und
Tumor-Erkrankungen bei Frauen zwischen dem 15. und 79. Lebensjahr. In
der aktuellen Studie (3) wurden die Daten aller Frauen, die im Januar
1995 zwischen 15 und 49 Jahre alt waren und solcher, die vor Dezember
2012 das 15. Lebensjahr vollendet hatten, hinsichtlich der
Verschreibung von HK (als Marker für deren Einnahme) und der
Inzidenz von invasivem Brustkrebs ausgewertet. Erfasst wurde die
Gesamtdauer der Anwendung von HK, bei KOK auch die Art des Gestagens
und bei „früherer Anwendung“ der zeitliche Abstand
nach der Beendigung. Auch die Anwenderinnen von oralen
Nur-Gestagen-HK und von Levonorgestrel freisetzenden intrauterinen
Systemen (IUD) wurden erfasst. Alle Subgruppen der HK-Benutzerinnen
wurden in mehrfacher Hinsicht mit ähnlichen Frauen verglichen,
die nie Hormone angewendet hatten.
Ergebnisse:
Es wurden die Daten von insgesamt 1,8 Mio. Frauen zwischen 15
und 49 Jahren für im Mittel 10,6 Jahre beobachtet
(19,6 Mio. Personenjahre). In diesem Zeitraum erkrankten 11.517
dieser Frauen an Brustkrebs. Das Brustkrebs-Risiko von Frauen dieser
Altersspanne, die nie HK benutzt hatten (ca. 7,8 Mio.
Personenjahre) war 3 pro 100.000 Personenjahre
(95%-Konfidenzintervall = CI: 1-6). Verglichen mit diesen „never
users“ hatten Frauen, die aktuell oder bis zu ≤ 6
Monaten vor der Erfassung HK eingenommen hatten, ein Relatives Risiko
(RR) für Brustkrebs von 1,2 (CI: 1,14-1,26). Bei Frauen,
die > 10 Jahre HK eingenommen hatten, erhöhte sich
das RR auf 1,38 (CI: 1,26-1,51). Bei der großen Mehrheit der
Frauen, die EE-haltige KOK < 1 Jahr eingenommen hatten,
erhöhte sich das RR von anfangs 1,03 nach > 10 Jahren
auf 1,46 (CI: 1,32-1,61). Lag die Einnahme von HK oder KOK bereits
> 1 Jahr zurück, dann verringerte sich das zuvor
erhöhte RR und näherte sich dem der „never users“
an. Zwei HK, die lediglich ein Gestagen enthielten, waren nicht mit
erhöhtem Risiko assoziiert (Norethisteron, Desogestrel), während
das RR bei Einnahme von Levonorgestrel mit 1,93 (CI: 1,18-3,16)
erhöht war (allerdings bei nur 10.547 Personenjahren
Beobachtung). Gestagen-Implantate und dreimonatige Injektionen von
Medroxyprogesteron-Azetat führten zu keinem erhöhten
Risiko, während Levonorgestrel freisetzende IUD mit erhöhtem
RR assoziiert waren (RR: 1,21; CI: 1,11-1,33). Für acht
verschiedene in KOK enthaltene Gestagene wurden selektiv die RR-Werte
berechnet. Bei für statistische Auswertungen ausreichenden
Personenjahren war das RR am höchsten bei Cyproteron-Azetat (RR:
1,44; CI: 1,15-1,81) sowie bei Levonorgestrel (RR: 1,33; CI:
1,20-1,48). Absolut betrug das zusätzliche Risiko für
Brustkrebs bei Anwendung irgendeines HK ein Erkrankungsfall/Jahr
unter 7.960 Frauen.
Diskussion:
Die Zunahme des RR für Brustkrebs mit der Dauer der Einnahme von
KOK bestätigt frühere Befunde (z.B. 2). Bei nur kurzer
Einnahmedauer von HK nähert sich das RR für Brustkrebs
bereits 6 Monate nach dem Absetzen dem von „—„never
users“ an. Nach mehrjähriger Anwendung sinkt es allerdings
erst nach einigen Jahren wieder auf das normale Niveau. Interessant
ist das etwas erhöhte Risiko für Brustkrebs bei Anwendung
einiger Gestagen-HK und auch bei intrauteriner Anwendung
Levonorgestrel-freisetzender IUD (z.B. Mirena®).
Aus letzteren gelangt sicher ein Teil des Gestagens in den
Blutkreislauf. Die Autoren diskutieren ausführlich gewisse
Unsicherheiten bei den Ergebnissen ihrer Studie, denn durch die Art
der Datenerhebung konnten nicht alle möglichen Störfaktoren
(confounders) berücksichtigt werden. In einem Editorial (4)
betont D.J. Hunter aus Oxford die Bedeutung dieser Studie, da sie
zeigt, dass auch die neueren Formulierungen von KOK (mit geringerer
Dosierung von EE und mit anderen, niedrig dosierten Gestagenen) mit
einem ähnlichen Risiko für Brustkrebs assoziiert sind wie
die älteren HK. Er nennt das Brustkrebsrisiko allerdings „small“
und empfiehlt, in Situationen, in denen Entscheidungen für oder
gegen ein HK zu treffen sind, die Vorteile einer effektiven
Geburtenkontrolle, das Vermeiden von Komplikationen unerwünschter
Schwangerschaften und den therapeutischen Nutzen bei Dysmenorrhö
oder Menorrhagie zu bedenken. Außerdem sei der Gebrauch von HK
mit einem etwas reduzierten Risiko für Ovarial-, Endometrium-
und Kolon-Karzinomen im späteren Leben assoziiert. Nach dem
40. Lebensjahr nimmt das Risiko für Brustkrebs,
kardiovaskuläre Ereignisse und Thromboembolien generell deutlich
zu. Deshalb bedarf die Verordnung von HK, besonders EE-haltiger KOK,
bei Frauen jenseits > 40 Jahre einer besonderen
Risikoabwägung und Begründung.
Fazit:
Ähnlich wie bei älteren hormonalen Kontrazeptiva (HK) mit
höheren Tagesdosierungen von Östrogenen und Gestagenen ist
auch die Anwendung neuerer, niedrig dosierter HK bei aktuell bereits
mehrjähriger Einnahme mit einem etwa um 20% erhöhten Risiko
für invasiven Brustkrebs bei jungen Frauen assoziiert. Das
Risiko nimmt bei Anwendung Ethinylestradiol(EE)-haltiger kombinierter
HK mit der Dauer zu. Auch die Einnahme einiger reiner Gestagen-HK,
z.B. Levonorgestrel-Präparate, ist mit etwas erhöhtem
Brustkrebsrisiko assoziiert. Ab 6 bis 12 Monate nach Absetzen
der HK sinkt das Risiko wieder in den Bereich von Frauen, die nie HK
benutzt haben. Das Brustkrebsrisiko, obwohl gering, sollte bei der
Kontrazeptionsberatung erwähnt werden, besonders wenn ein
familiäres Brustkrebsrisiko bekannt ist. Bei Frauen > 40 Jahre
sollten EE-haltige HK wegen erhöhter basaler Risiken für
Brustkrebs sowie kardiovaskuläre und thromboembolische
Ereignisse nur ausnahmsweise verordnet werden.
Literatur
-
Pasqualini, J.R., Gynecol. Endocrinol. 2007, 23 Suppl. 1, 32. 
-
Hunter, D.J., et al.: Cancer Epidemiol. Biomarkers Prev. 2010, 19, 2496. 
-
Mørch, L.S., et al.: N. Engl. J. Med. 2017, 377, 2228. 
-
Hunter, D.J.: N. Engl. J. Med. 2017, 377, 2276. 
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