Unabhängig Arzneimittelinformation

Antidepressiva und Antipsychotika: Auswirkungen auf Körpergewicht und Metabolismus

Viele Antidepressiva führen zu Gewichtzunahmen um durchschnittlich 2-3kg und einzelne Antipsychotika bis zu 18kg bei längerer Einnahme. Die Folgen sind metabolische Verwerfungen mit vielfachen gesundheitlichen Folgeproblemen. Bei der Indizierung und Auswahl der Wirkstoffe sollte daher auch der metabolische Status der Patienten mitberücksichtigt werden. Zu Beginn und während der Therapie sollten regelmäßig der Body-Mass-Index, sowie der Blutzucker und das Lipidprofil kontrolliert werden. Bei sehr ungünstigen Veränderungen dieser Parameter sollte die Therapie nach Möglichkeit modifiziert werden. Alle Patienten müssen über diese bedeutsamen Nebenwirkungen der Psychopharmaka aufgeklärt werden.

Memorandum für mehr Transparenz und mehr Unabhängigkeit von kommerziellen Einflüssen in der Medizin

Probleme im medizinischen Alltag ergeben sich häufig aus kommerziell motivierten Fehl- und Desinformationen sowie der Beeinflussung klinischer Studien und Leitlinien durch finanzielle Interessenkonflikte. Die Verbreitung von Erkenntnissen aus derartigen Quellen mit unsicherer oder mitunter auch fehlender Evidenz kann einen zu häufigen oder zu seltenen Einsatz medizinischer Maßnahmen veranlassen, vermeidbare unerwünschte Wirkungen bei Patienten auslösen und den Einsatz vorhandener therapeutischer Optionen für eine gute medizinische Versorgung verhindern.

Unter dem Titel „Pathways to independence: towards producing and using trustworthy evidence“ ist 2019 im British Medical Journal ein sehr lesenswertes Memorandum erschienen, in dem von renommierten Wissenschaftlern aus unterschiedlichen Fachgebieten Lösungen für dieses eminent wichtige Problem eingefordert werden ( Link zum Artikel ). Die diskutierten Lösungsansätze sind größtenteils nicht neu, jedoch als Denkanstöße gut geeignet, um in den bevorstehenden Jahren eine intensive Debatte zu führen, wie wir zu mehr Unabhängigkeit von kommerziellen Einflüssen in der Medizin kommen.

DER ARZNEIMITTELBRIEF hat im Dezember 2019 hierüber berichtet ( Link zum Artikel ) und unterstützt die Kernaussagen dieses Memorandums uneingeschränkt:

Die vorgeschlagenen Schritte hin zu mehr finanzieller Unabhängigkeit von kommerziellen Interessen erfordern Veränderungen in der Unternehmenskultur. Wir benötigen vertrauenswürdige Evidenz, um informierte Entscheidungen in der Gesundheitsversorgung zu ermöglichen.

Nutzen wir die kommenden Jahre, um gemeinsam für mehr Unabhängigkeit und mehr Transparenz in der Medizin zu streiten.

Ihre Wolf-Dieter Ludwig und Jochen Schuler (Herausgeber)

Neue europäische „Leitlinie“ zur Lipidsenkung: As low as possible?

Die neuen Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) und der European Atherosclerosis Society (EAS) erweitern den Kreis der medikamentös behandlungsbedürftigen Menschen mit Hyperlipidämien erheblich. Die Grenze zwischen Primär- und Sekundärprävention wird aufgehoben, und die LDL-Zielwerte werden in allen Risikoklassen nochmals stark herabgesetzt. Die Zielvorgabe „as low as possible“ scheint aber nicht nur für das LDL-Cholesterin, sondern auch für das Niveau der Leitlinie zu gelten, denn diese ist in vielen formalen Punkten kritikwürdig. Daher sollte sie nach unserer Einschätzung allenfalls als interessengeleitetes Positionspapier einer industrienahen Fachgesellschaft und nicht als evidenzbasierte Leitlinie gelesen werden.
Lesen Sie unseren Hauptartikel aus dem Oktober

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Verursachen Arzneimittel mit anticholinerger Wirkung Demenz?

Über 100 Arzneimittel aus verschiedenen Indikationsbereichen haben mehr oder weniger starke anticholinerge Wirkungen. Eine britische Fall-Kontroll-Studie bestätigt Hinweise aus früheren Untersuchungen, dass der längerfristige Gebrauch von bestimmten Arzneimitteln mit anticholinergen Wirkungen mit einem um 29-70% höheren Risiko für das Entstehen einer Demenz assoziiert ist.
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SGLT2-Hemmer reduzieren Nierenkomplikationen beim Typ-2-Diabetes.

In der CREDENCE-Studie senkte der SGLT2-Inhibitor Canagliflozin in Kombination mit einem ACE-Hemmer bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und relevanter Proteinurie die Wahrscheinlichkeit für renale Komplikationen (HR 0,70; NNT 55). Dieser Effekt trat unabhängig vom Ausmaß der Senkung von Blutzucker, Blutdruck und Körpergewicht auf. Erneut war auch eine signifikante Senkung kardiovaskulärer Ereignisse nachweisbar (HR 0,8; NNT 100). Gleichsinnige Ergebnisse gibt es auch für andere SGLT2-Hemmer (Dapagliflozin und Empagliflozin). Somit dürfte es sich bei der Reduktion kardiorenaler Ereignisse um einen Klasseneffekt der SGLT2-Inhibitoren handeln. Auch in der CREDENCE-Studie wurden vermehrt euglykämische Ketoazidosen (2,2/1000 Pat.-Jahre, NNH 500) und Genitalinfektionen (10/1000 Pat.Jahre, NNH 142) beobachtet. Während die Nutzen-Risiko-Relation unter Studienbedingungen günstig erscheint, dürfte die breite Anwendung dieser Wirkstoffgruppe im „realen Leben“ und im Kontext von Multimorbidität, Multimedikation und Einnahmefehler (sog. „Effectiveness“) jedoch wesentlich problematischer sein. Mehrere Hundert Meldungen von teilweise sogar tödlichen Ketaoazidosen in der Eudravigilance-Datenbank der EMA sprechen für sich und mahnen zur großen Vorsicht.
(nach DER ARZNEIMITTELBRIEF Juni 2019)

Screening auf Vorhofflimmern mittels Smartwatch: Wann ist das klinisch relevant?

Screening auf Vorhofflimmern mittels Smartwatch: Wann ist das klinisch relevant? Beim diesjährigen Jahreskongress des American College of Cardiology wurde die Apple Heart Study vorgestellt, die wie so vieles von diesem Hersteller das Potenzial zu einem „Hype“ hat. Insgesamt folgten ja knapp 420.000 US-Amerikaner der Einladung von Apple, an dieser als „Proof-of-Concept“ angelegten, reinen Beobachtungsstudie ohne Kontrollgruppe teilzunehmen. Lesen Sie unsere Einschätzung über das unselektierte Screening auf Vorhofflimmern in der gesunden Bevölkerung und den resultierenden Problemen mit dem sog. „device detected atrial fibrillation“. (freier Artikel aus: DER ARZNEIMITTELBRIEF Mai 2019)
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