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AMB 2012, 46, 35

Vorapaxar, ein weiterer Thrombozytenaggregationshemmer

Vorapaxar wurde in einer großen internationalen, randomisierten Studie getestet. Sie sollte die Wirksamkeit der neuen Substanz in der sekundären Prävention nach kardiovaskulären Ereignissen nachweisen und wurde vom Hersteller Merck gesponsert (1). Vorapaxar blockiert den Protease-aktivierten Rezeptor (PAR) auf den Thrombozyten. Über diesen Rezeptor aktiviert Thrombin sehr stark die Thrombozytenaggregation. Der kombinierte primäre Wirksamkeitsendpunkt der Studie war Herzinfarkt, Schlaganfall oder kardiovaskulärer Tod. Die Verum-Gruppe erhielt 2,5 mg/d Vorapaxar zusätzlich zu den in den jeweiligen Zentren üblichen Thrombozytenaggregationshemmern (ASS und/oder Thienopyridine und/oder Dipyridamol). Diese Gruppe diente als „Plazebo” (Vergleich).

Ergebnisse: Eingeschlossen wurden 26.449 Patienten. Die Charakteristika der Patienten in beiden Gruppen waren nicht unterschiedlich: Alter 61 Jahre, 76% Männer; Indexerkrankung Herzinfarkt (67%), Schlaganfall (18%), periphere arterielle Gefäßkrankheit (15%). Auch Diabetes, Hypertonie, Rauchgewohnheiten und Vorerkrankungen waren gleich verteilt. In Tab. 1 werden die kardiovaskulären Ereignisse und die signifikanten Blutungen im Mittel 30 Monate nach dem Einschluss der Patienten in die Studie gegenübergestellt.

Bei der sekundären Prävention nach kardiovaskulären Ereignissen reduziert Vorapaxar (2,5 mg/d) zusätzlich zur üblichen Thrombozytenaggregation zwar signifikant die Häufigkeit wichtiger kombinierter Endpunkte. Aber absolut gesehen sind diese Differenzen minimal, nämlich nur etwa 1% pro drei Jahre. Werden sehr viele Probanden untersucht – wie in dieser Studie – sind auch geringe Differenzen oft statistisch signifikant, aber häufig für den Patienten nicht relevant. Dennoch wird diese statistische Signifikanz in der Werbung häufig – aber unberechtigt – als unumstößlicher Beweis für die klinische Überlegenheit angeführt. In dieser Studie ergab sich eine solche „Überlegenheit” sogar nur bei den kombinierten Endpunkten und bei Myokardinfarkt. Kombinierte Endpunkte werden naturgemäß häufiger erreicht als ihre einzelnen Komponenten (z.B. Schlaganfall, kardiovaskulärer Tod, Gesamtletalität). Mit der größeren Zahl der Ereignisse, die hier allein durch Addition bzw. Kombination von Endpunkten zustande kommt, ist auch statistische Signifikanz von Gruppenunterschieden leichter zu erreichen. Durch geschickte Wahl der Endpunkte und deren Kombination kann also Signifikanz produziert werden. Das geschieht in Studien, die von Herstellern gesponsert werden, nicht selten.

Der absolut geringen Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse in der Vorapaxar-Gruppe stehen häufigere Blutungskomplikationen gegenüber (s. Tab. 1).

Fazit: Ein für Patienten relevanter therapeutischer Zusatznutzen von Vorapaxar, einem neuen Thrombozytenaggregationshemmer, als „On-top-Therapie” in der Sekundärprävention kardiovaskulärer Erkrankungen hat sich in dieser Studie nicht gezeigt. Klinisch relevante Blutungskomplikationen waren bei dieser Zusatzmedikation sogar signifikant häufiger. Selten werden solche Studien mit „negativen” Ergebnissen abgeschlossen und veröffentlicht. Man kann gespannt sein, ob Vorapaxar trotzdem als Arzneimittel auf den Markt kommt und wie sich in diesem Fall der Umsatz entwickelt. Immerhin hat es ein neues Wirkprinzip.

Literatur

  1. Morrow, D.A., et al.(TRA 2P-TIMI 50 = Thrombin-Receptor Antagonist insecondary Prevention of atherothrombotic ischemic events-TIMI 50): N.Engl. J. Med. 2012, 366, 1404. Link zur Quelle

Schlagworte zum Artikel:

Apoplektischer Insult, Blutungen, Herzinfarkt, Hirninfarkt, Koronare Herzkrankheit, Myokardinfarkt, Schlaganfall, Thrombozytenaggregationshemmer, TRA 2P-TIMI-50-Studie, Vorapaxar,

 

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