Unabhängig Arzneimittelinformation

AMB 2013, 47, 39

Therapie des rezidivierenden Erysipels

Das Erysipel ist eine häufige infektive Erkrankung der Haut. Meistens wird sie durch Streptokokken verursacht (1). Als Eintrittspforte können manchmal Mikroverletzungen erkannt werden. Die Infektion kann zwar in jeder Hautregion auftreten, ist aber an den unteren Extremitäten am häufigsten. Das Erysipel neigt zu Rezidiven, besonders wenn die Lymphbahnen der Region gestaut oder geschädigt sind. Jede erneute Infektion kann durch Schädigung des abführenden Lymphsystems die Anfälligkeit für ein weiteres Rezidiv erhöhen (2). Kleinere Studien weisen darauf hin, dass eine antibiotische Prophylaxe möglicherweise Rezidive vermindert (3-5). Eine größere Studie zu dieser Frage wurde jetzt aus Großbritannien vorgelegt (6).

Diese multizentrische doppeltblinde randomisierte Studie rekrutierte 274 Patienten aus 28 Krankenhäusern in Großbritannien und Irland zwischen Juli 2006 und Januar 2010. Alle Patienten mussten wenigstens zwei Erysipel-Episoden am Bein innerhalb von drei Jahren durchgemacht haben. Zum Einschluss in die Studie durfte das letzte Erysipel außerdem nicht länger als 24 Wochen zurück liegen. Patienten mit bekannter Penicillin-Allergie und solche, die in den letzten sechs Monaten Antibiotika zur Erysipel-Prophylaxe eingenommen hatten, wurden von der Studie ausgeschlossen. Eine Gruppe bekam Penicillin (oral 250 mg), die andere Plazebo, jeweils zweimal am Tag 12 Monate lang. Die Patienten wurden drei Jahre lang verfolgt. Der primäre Endpunkt der Studie war die Zeit bis zum ersten Rezidiv des Erysipels während des Zeitraums der Prophylaxe. Die Ausgangscharakteristika waren in beiden Gruppen nicht unterschiedlich.

Die Zeitspanne bis zum ersten Rezidiv war median 626 Tage in der Penicillin-Gruppe und 532 Tage in der Plazebo-Gruppe. Während der Prophylaxe-Phase (die ersten 12 Monate) entwickelten 30 von 136 Patienten in der Penicillin-Gruppe (22%) und 51 von 138 in der Plazebo-Gruppe (37%) ein Rezidiv (Hazard-Ratio: 0,55; 95%-Konfidenzintervall = CI: 0,35-0,86; p = 0,01). Die Berechnung für die Zahl der Patienten, die von der Penicillin-Prophylaxe profitierten (Number needed to treat), ergab 5 (CI: 4-9). Es gab keinen Unterschied in beiden Gruppen hinsichtlich der UAW. In der Nachbeobachtungszeit verringerte sich mit der Zeit der Unterschied in der Häufigkeit von Rezidiven. Nach 36 Monaten war er in beiden Gruppen gleich. Insgesamt war die Zahl der Rezidive in der Penicillin-Gruppe geringer als in der Plazebo-Gruppe (119 vs. 164; p = 0,02). Bei Patienten mit höherem Körpergewicht (BMI ≥ 33) und solchen mit schon bestehenden Lymphabflussstörungen war die Prophylaxe deutlich weniger wirksam. Weitere Studien sollten die Wirksamkeit einer längeren Prophylaxe und mit höherer Dosierung bei Patienten mit höherem Körpergewicht überprüfen. Probleme mit Resistenzentwicklungen bei Streptokokken der Gruppe A sind zwar zurzeit kein Problem, aber in zukünftigen Studien sollten auch mikrobiologische Daten erhoben werden

Fazit: Patienten mit rezidivierendem Erysipel der Beine profitieren von einer oralen einjährigen Penicillin-Prophylaxe. Ob die Wirkung einer solchen Prophylaxe bei längerer Dauer größer ist, sollten zukünftige Studien klären.

Literatur

  1. Jeng, A., etal.: Medicine (Baltimore) 2010, 89, 217. Link zur Quelle
  2. Soo, J.K., etal.: Br. J. Dermatol. 2008, 158, 1350. Link zur Quelle
  3. Kremer, M.,et al.: J. Infect. 1991, 22, 37. Link zur Quelle
  4. Sjöblom,A.C., et al.: Br. J. Dermatol. 1993, 21, 390. Link zur Quelle
  5. Chakroun, M.,et al.: Med. Mal. Infect 1994, 24, 894.
  6. Thomas,K.S., et al. (PATCH I = Prophylactic Antibiotics for the Treatmentof Cellulitis at Home I): N. Engl. J. Med. 2013, 368, 1695. Link zur Quelle

 

Schlagworte zum Artikel:

Erysipel, PATCH-1-Studie, Penicillin, Streptokokken,

 

Alle Artikel zum Schlagwort: Penicillin

Therapie des rezidivierenden Erysipels 2013, 47, 39

Häufigkeit und Behandlung der Gonorrhö bei Erwachsenen – ein unterschätztes Problem 2007, 41, 41

Akute bakterielle Meningitis bei Erwachsenen: Neue Aspekte in Diagnostik und Therapie 2006, 40, 81

Prophylaxe und Therapie der Lyme-Borreliose 2005, 39, 33

 

Verlässliche Daten zu Arzneimitteln

DER ARZNEIMITTELBRIEF informiert seit 1967 Ärzte, Medizinstudenten, Apotheker und Angehörige anderer Heilberufe über Nutzen und Risiken von Arzneimitteln.

DER ARZNEIMITTELBRIEF erscheint als unabhängige Zeitschrift ohne Werbeanzeigen der Pharmaindustrie. Er wird ausschließlich durch seine Leserinnen und Leser, d. h. durch die Abonnenten, finanziert. Wir bitten Sie deshalb um Verständnis, dass wir aktuelle Artikel nur auszugsweise veröffentlichen können.

GPSP_Banner_AMB_01_2013 2_Studi_Banner_AMB_NEU DER ARZNEIMITTELBRIEF als Mitglied im ISDB Sie können den ARZNEIMITTELBRIEF in 4 Preiskategorien abonnieren: